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Prozess gegen einen mutmaßlichen Vergewaltiger in Potsdam.

© dpa

Aus dem Gerichtssaal: Sex – freiwillig oder erzwungen?

Laut Anklage soll ein Fotograf eines seiner Models beim Foto-Shooting vergewaltigt haben. Seine Spezialität sind Bilder von gefesselten Frauen.

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Bewerbungsfotos waren es nicht, die Jennifer J.* im Studio von Ronny R.* (37) machen lassen wollte. Der Werbedesigner lichtet seine Models, die er auf einschlägigen Internetseiten kennenlernt, in sogenannten Bondage-Shootings gefesselt und nackt ab. Häufig kommt es danach zu freiwilligem Geschlechtsverkehr, sagt R. Auch Krankenschwester Jennifer J. soll am 14. Juni 2012 an Seilen schwebend, mit verbundenen Augen und einem Knebel im Mund von dem Potsdamer fotografiert worden sein. Danach – so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft – lief das Shooting offenbar aus dem Ruder. Ronny R. soll die Berlinerin, die nicht an sexuellen Kontakten mit ihm interessiert gewesen sei, genötigt und vergewaltigt haben.

Seit dem gestrigen Mittwoch muss sich der Werbefachmann vor dem Landgericht verantworten. Zu Prozessbeginn verlas er eine Erklärung, in der er die schweren Vorwürfe bestritt. Nicht die Fesselung stände im Mittelpunkt seiner Shootings, vielmehr gehe es um erotische Phantasien, die er im Bild festhalte. Bondage sei eine Kunstform, um Skulpturen zu erschaffen. Frauen aus allen gesellschaftlichen Schichten würden zu seinen Kundinnen gehören, berichtete Ronny R. Sex sei bei rund 80 Prozent von ihnen inbegriffen.

Als er in einer einschlägigen Internetplattform nach einem „längerfristigen Bondadge-Model“ suchte, habe sich Jennifer J. gemeldet, ihre Erfahrungen in dem Metier betont. Beim Shooting habe er gemerkt, dass sie doch nicht so routiniert gewesen sei, erzählte der Angeklagte. Dennoch sei die Session zu ihrer beider Zufriedenheit verlaufen. Im Anschluss habe sie ihm eindeutige Offerten gemacht. „Sie hat in keinster Weise gesagt, dass sie das nicht will“, beteuerte Ronny R. Deshalb könne er sich auch nicht erklären, wieso Jennifer J. ihn am nächsten Tag bei der Polizei angezeigt hat.

Jennifer J. tritt im Prozess als Nebenklägerin auf. Vor ihrer für den gestrigen ersten Verhandlungstag vorgesehenen Vernehmung beantragte ihre Anwältin, die Öffentlichkeit für die Dauer ihrer Aussage auszuschließen. Da ihre Mandantin nach wie vor seelisch schwer beeinträchtigt sei und es ihr nicht zugemutet werden könne, ihrem Peiniger noch einmal Auge in Auge gegenüberzustehen, solle Ronny R. den Saal ebenfalls verlassen.

Weil die Lebensgefährtin des Angeklagten unter den Zuschauern weilte, rief der Vorsitzende Richter sie zuvor in den Zeugenstand. Die 21-Jährige bewegt sich laut eigener Aussage ebenfalls im Bondage-Milieu. Bei den Fotoaufnahmen sei sie oft dabei, wirke manchmal auch mit. Beim Shooting mit Jennifer J. habe sie eigentlich anwesend sein wollen, dann jedoch einen anderen Termin wahrgenommen. Bei ihrer Rückkehr in die gemeinsame Wohnung habe Ronny R. mit keiner Silbe von Geschlechtsverkehr gesprochen. „Ich wusste, dass es dazu kommen kann. Wir haben vorher darüber geredet“, so die Zeugin. Umso erstaunter sei sie gewesen, als die Polizei am nächsten Tag vor ihrer Tür stand und sie mit dem Vorwurf konfrontierte. (Hoga)

Die Verhandlung wird am Freitag fortgesetzt. (*Namen geändert.) 

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