Landeshauptstadt: Sich ein Film-Bild machen
Das Babelsberger Filmgymnasium sammelt Erfahrungen mit einem neuen Unterrichtsfach
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Wenn es in der Schule richtig kompliziert wird und die eigene Vorstellungskraft an ihre Grenzen stößt, dann hilft es, sich von einer Sache ein Bild zu machen, Dinge zu veranschaulichen, einen Prozess zu visualisieren. Zum Beispiel mit Lehrfilmen, die inzwischen in vielen Klassenzimmern – sehr bequem – über die Leinwand flimmern.
Anders im Babelsberger Filmgymnasium. Hier suchen die Schüler selbst nach geeigneten Bildern, die ihnen helfen, den Lehrstoff besser zu verstehen. Ab der siebenten Klasse ist das Filmen in den normalen Fachunterricht integriert: Da entstehen Bewegungsstudien für den Sportunterricht, Animationsfilme mit Knetfiguren im Fach Kunst oder Dokumentationen von sozialen Beziehungen für Ethik und Lebenskunde. Die Schüler müssen hierfür nicht nur recherchieren, Sachwissen sammeln und verständlich wiedergeben, sie lernen auch das Einmaleins des Filmens. Eine Spezialität, die dem freien Gymnasium seinen Namen gegeben hat. „Das bedeutet aber nicht, dass wir künftige Regisseure, Kameraleute und Schnittmeister ausbilden“, klärt Schulleiter Michael Rißleben auf. „Wir vermitteln den allgemeinen Lehrstoff, wie jedes andere Gymnasium auch, nur eben mit dem zusätzlichen Angebot zu filmen.“
Im Frühsommer hat der erste Jahrgang – nach anfänglichen Problemen mit der Anerkennung – das Abitur abgelegt. Erstmals wurde damit auch der deutschlandweit einzigartige Wahlgrundkurs Film abgeschlossen. Ein neues Schulfach auf Probe, das zusätzlich unterrichtet und von den Schülern freiwillig belegt wurde. Die mit einer Lehrbefähigung ausgestattete Potsdamer Regisseurin Heike Ludwig hatte die Gymnasiasten ab der elften Klasse über drei Jahre mit theoretischen, historischen und künstlerischen Problemen des Filmemachens vertraut gemacht. Nun liegen die ersten Erfahrungen vor und das Filmfach kann evaluiert werden. Wenn es die Kultusministerkonferenz anerkennt, wird es künftig gleichberechtigt als viertes musisches Fach neben Kunst, Musik und dem Darstellenden Spiel angeboten und in das Abitur einfließen. Nicht nur hier in Potsdam, sondern überall dort, wo es Interesse und die entsprechenden technischen und fachlichen Ressourcen gibt.
Am Medienstandort Babelsberg freilich herrscht daran kein Mangel. Michael Rißleben hofft, das Filmgymnasium hier fest verankern zu können. Erste Kontakte gibt es mit der Hochschule für Film- und Fernsehen „Konrad Wolf“ , dessen Mediathek die Gymnasiasten nutzen können. Schüler agieren bei Filmproduktionen als Statisten und erfahren dabei, „dass Drehen vor allem Warten bedeutet“, beschreibt Michael Rißleben die Ernüchterung, die sich bei manchen einstellt. „Wenn die Schüler merken, wie lange es dauert, einen Film fertigzustellen, wie viele Stunden man im Schneideraum zubringen muss, bleibt die Begeisterung mitunter auf der Strecke“, so Rißleben. „Manchmal ist es ja auch wichtig herauszufinden, was einem nicht liegt, was man nicht möchte.“
Denjenigen aber, die Feuer gefangen haben, bietet die Schule zusätzlich noch eine Arbeitsgemeinschaft an. Und in naher Zukunft soll es einen Leistungskurs geben. Auch wenn die Berufsorientierung dabei nicht im Vordergrund steht, so lernen die Schüler hier doch die ganze Vielfalt medientechnischer und filmkünstlerischer Arbeiten kennen, was ihnen bei der Berufswahl helfen kann. Rund 25 Prozent der Schüler, schätzt Michael Rißleben, kommen mit einem besonderen Filminteresse an die Schule. „Inzwischen bewerben sich künftige Siebtklässler schon mit kurzen Filmen. Das ist neu“, bemerkt der Schulleiter, der in diesem Jahr mehr Bewerber als Plätze hatte. Drei siebte Klassen mit je 24 Schülern kann er derzeit aufnehmen. Wenn der an der Großbeerenstraße geplante Neubau zum Schuljahresbeginn 2010 eröffnet wird, dann soll das Gymnasium fünfzügig laufen.
Antje Horn-Conrad
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