Landeshauptstadt: „Sicherheitskonzept“ bei ViP?
Entscheidung zum Eingreifen wird Tram- und Busfahrern selbst überlassen
Stand:
Entscheidung zum Eingreifen wird Tram- und Busfahrern selbst überlassen Fast alle Potsdamer Straßenbahnen sind im hinteren Wagenbereich so zerkratzt, dass sie aussehen, als wären sie vergittert. Gerade wenn sie in den Abendstunden innen beleuchtet sind, fallen die Beschädigungen um so mehr auf. Laut Polizeistatistik finden knapp ein Viertel der fremdenfeindlichen Gewaltdelikte in den Trams Potsdams statt. Kay Wendel vom Verein Opferperspektive berichtet, dass nach den schweren Übergriffen in den Trams vor zwei Jahren viele Asylbewerber lange Zeit in den Abendstunden die öffentlichen Verkehrsmittel aus Angst mieden. Der Pressesprecher der Stadtwerke, Stefan Klotz, räumt ein, „dass der ViP nicht über ein präventives Sicherheitskonzept verfügt“ und, „dass wir alles andere als zufrieden mit der Situation sind“. Auf Anfrage bei der Sicherheitskonferenz Potsdam erhielten PNN jedoch vom Presseamt der Stadt die „Mitteilung über ein Sicherheitskonzept für den ÖPNV“, welche nach einer Anfrage der Stadtverordnetenversammlung vor einem Jahr erstellt wurde und an dem der ViP mitgearbeitet habe. Hieß es im Presseamt zuerst, dass es sich bei der Sicherheit im Nahverkehr um ein wichtiges Thema handele und es sich auf dem Arbeitsplan der Sicherheitskonferenz für dieses Jahr befände, wurde kurz danach mitgeteilt, dass „das Thema sich uns nicht als Problem darstellt“. Das Sicherheitskonzept weist dann auch mehr Maßnahmen aus, die man sich wünscht durchzuführen, als solche, die tatsächlich durchgeführt werden und am Ende muss zugegeben werden, „dass die Erstellung eines umfassenden Konzepts zur Sicherheit im ÖPNV den realen Gegebenheiten eventuell zeitlich nachläuft.“ Es gibt offenbar keine Chance beim ViP, die zerkratzten Fenster zu ersetzen. „Das ist eine Kostenfrage“, so Klotz. „Fensterschutzfolien für einen Co-bino kosten 1500 Euro.“ Bekannt sei, dass die Kameras in den Tatras gar nicht laufen. Aber auch in den Combinos – als diese noch fahren durften –, die im hinteren Teil kameraüberwacht sind, finden sich genau dort Beschmierungen und Beschädigungen. In einem von der PNN-Redaktion miterlebten Fall reagierte der Fahrer einer Tram nicht auf Raucher, als er von einem Fahrgast darauf angesprochen wurde. Dabei waren die Männer auf seinem Monitor deutlich zu sehen. „Wie sich der Fahrer zu verhalten hat, liegt an seiner Selbsteinschätzung“, sagte Klotz. Nach Zahlen des ViP wurden bei knapp 100 Sachbeschädigungen im Jahr 2003 nur drei Täter festgenommen, die jetzt eine Rechung erhalten. Probleme in Nahverkehrsbetrieben mit Vandalismus und Pöbeleien sind nicht neu. Die Bremer Straßenbahn AG unterhält eine eigene Website für Sicherheit, um die Kunden davon zu überzeugen, auch in den späten Stunden mit der Tram zu fahren. Es wird betont, dass der Fahrer alles im Blick habe und nötigenfalls über eine Direktleitung Kontakt mit der Polizei aufnehmen könne, damit der oder die Täter auch konsequent dingfest gemacht werden. „Durchgreifen“ habe man sich zur Devise gemacht. Serviceteams begleiten dort die Tram, und es wird sogar eine besondere sozialpädagogische Fachkraft für die Jugendarbeit beschäftigt, da es sich hier offenbar um die hauptverdächtige Gruppe handelt. Man geht „offensiv auf die Jugend zu“, heißt es auf der Website. Ein Streetworker verdient im Monat nicht mehr, als das Anbringen von Schutzfolien an zwei Combinos kostet. Der ViP leistet sich aber keinen „Sicherheitschef“. Hamburger Hochbahn AG, Mannheimer Verkehrs AG und Hanauer Straßenbahn AG schlossen sich zu einem Forschungsverbund zusammen, um das subjektive Sicherheitsempfinden ihrer Fahrgäste zu verbessern (Projekt SuSi-Plus). Obwohl die Unternehmen bei der Kundenzufriedenheit im bundesweiten Durchschnitt liegen, sehen sie diesen Wert nicht als ausreichend an. Die ersten zu ergreifenden Maßnahmen sind der Einsatz von Videokameras und Sicherheitspersonal in den Fahrzeugen. Die Fahrer erhalten Schulungen in Stress- und Konfliktmanagement. Immer wieder würden die Kunden befragt, heißt es, um deren Wünsche und Sicherheitsbedenken zu erfahren. In einer Vorstellung des Konzepts heißt es „schon subjektive Unsicherheitsgefühle machen den öffentlichen Nahverkehr unattraktiv. Viele Fahrgäste verzichten aus Sicherheitsgründen auf Fahrten mit Bus oder Bahn oder steigen auf den Pkw um“. Jörg Muth
Jörg Muth
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: