
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Sie schnattern nur einen Sommer
Am Sonntag geht’s den Weihnachtsgänsen bei Landwirt Ernst Ruden an die Federn
Stand:
Fahrland - Sie haben nicht die geringste Ahnung. Weihnachtsgänse wissen nichts vom Sinn ihres Lebens. Sie schnattern, sie putzen sich und fürchten nicht den morgigen Tag. Gut so. Denn auf dem Fahrländer Bauernhof von Bauer Ernst Ruden senior, Ernst Ruden und Ernst Ruden junior ist am Sonntag Schlachtetag. Da geht alles ganz schnell: Elsbeth oder Armanda – oder wie auch immer sie von jenen Kindern gerufen werden, die mit ihren Eltern übers Jahr immer mal bei Rudens nachschauen kommen, ob das Federvieh schon gewachsen ist – werden geschnappt und kopfüber in einen Edelstahlzylinder gestülpt. Unten, aus der kleinen, runden Öffnung, guckt der Gänsekopf heraus, ein letztes Schnattern und peng. Sie bekommen mit einem Holz einen Schlag auf den Kopf; dann folgt ein schneller Schnitt durch den Kehlkopf und dann bluten sie aus, werden ausgenommen und gerupft. Wenn sie der Kunde in der Hand hält, sind die Gänse nie in einer Kühltruhe gewesen, frisch geschlachtet eben.
„Sie haben einen prima Sommer“, glaubt Ernst Ruden senior. Sie leben auf einer tollen Weide, haben einen kuscheligen Stall voll Stroh. Den ganzen Sommer über laufen sie jeden Tag ein paar Kilometer – zur Wasserstelle, zum Kraftfutter und zurück. „Dadurch wird das Fleisch muskulös“ und das Tier sackt nicht völlig in sich zusammen, wenn es in der Röhre brutzelt. Bis zu acht Esser werden von einer Gans satt.
Der 72-jährige Ruden hat das Land, das sein Vater in die LPG, die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft, geben musste, nach der Wende wieder zurückerhalten und hat auch noch Land hinzugekauft. Darauf bauen die Rudens Obst, Gemüse und Getreide an. Auch Kühe gibt es und Hühner und Enten. Im Hof stehen mehrere Traktoren und ein Mähdrescher. In einem Hofladen kaufen Kunden, die gern wissen, wo die Eier und Kartoffeln herkommen.
„Die Basis von Direktvermarktung ist Vertrauen“, sagt Ruden. Schon zwischen dem 15. Oktober und dem 5. November müssen die Weihnachtsgänse bei Ruden bestellt werden; wer zu spät kommt, kann auf Ente ausweichen. Einmal, da muss ein Fuchs zwei Gänse geholt haben; jedenfalls waren mehr Bestellungen da als Tiere. Da verkaufte der Bauer die beiden Enten, die eigentlich für seine eigene elfköpfige Familie bestimmt war. Wer bestellt, muss seinen Weihnachtsbraten auch bekommen. „Das muss klappen“, sagt Ruden.
Bei der Entenmast steht und fällt alles mit der Qualität der Gössel, der Entenküken. Da ist Ruden senior genau; wenn da so ein Tierchen hinkt oder schief guckt, dann kauft er sie nicht. Von der Gesundheit der Jungtiere hängt es ab, ob sie auch groß werden. In der letzten Maiwoche kommen die Gössel zunächst in Rudens Stall und werden mit einer Grütze aus Sommergerste und Weizen – alles aus eigener Ernte – gefüttert: „Damit sie ordentlich Knochen kriegen und sich der Körper gut entwickelt.“ Im Juni gehen sie dann auf die Weide und haben ein herrliches Leben. Bis es morgen endet. Guido Berg
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