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Aus dem GERICHTSSAAL: „Sie sind für den Tod eines Menschen verantwortlich!“

Gericht glaubte nicht an Ohnmachtsanfall während der Unglücksfahrt / 2400 Euro Geldstrafe

Stand:

„Sie sind für den Tod eines Menschen verantwortlich. Dafür müssen Sie zur Verantwortung gezogen werden“, betonte Amtsrichter Wolfgang Peters am gestrigen zweiten Verhandlungstag um einen tragischen Unglücksfall auf der B2. „Ich denke nicht, dass Sie die Kollision absichtlich verschuldet haben. Aber fahrlässig war Ihr Handeln schon.“ Gerhard G. (65, Name geändert), der bislang gesetzestreu durchs Leben ging, wurde zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt. „Nachdem wir die beiden Sachverständigen gehört haben, gehe ich nicht mehr davon aus, dass Sie vor dem Unfall kurz das Bewusstsein verloren haben“, so der Vorsitzende.

Der wegen fahrlässiger Tötung Angeklagte ist ein kranker Mann. Eine Folge seiner zahlreichen Leiden scheinen Ohnmachtsanfälle zu sein. Die dauern allerdings nur Bruchteile von Sekunden. Als Gerhard G. am 3. Juli 2006 von seiner Wohnung im Zentrum-Ost zum Bungalow in der Nähe Michendorfs unterwegs war, geriet er in einer langgezogenen Rechtskurve in den Gegenverkehr. Dort prallte er frontal mit dem VW einer 46-jährigen Frau zusammen. Sie verstarb noch am Unfallort. Gerhard G. versicherte vor Gericht, keinerlei Erinnerung an das schreckliche Geschehen zu besitzen. „Was passiert ist, tut mir furchtbar leid“, beteuerte er zum Prozessauftakt. „Seitdem fahre ich kein Auto mehr.“ Ein langjähriger Bekannter erlebte jüngst einen derartigen Anfall von Gerhard G.. Der Mann schilderte plastisch im Zeugenstand, wie der Angeklagte auf einer Treppe urplötzlich zusammensackte, sich dabei jedoch mit den Händen abstützte. „Als ich ihm hoch half, war er schon wieder völlig klar.“ Dies deute darauf hin, dass der Zustand der Bewusstlosigkeit merklich unter einer Sekunde gelegen habe, warf der medizinische Gutachter ein. Er hatte Gerhard G. im Vorfeld der Verhandlung untersucht, allerdings keine Anhaltspunkte für dessen plötzliche Blackouts feststellen können.

Hätte der Angeklagte während der verhängnisvollen Fahrt zum Wochenendgrundstück das Bewusstsein verloren, müsste dieser Zustand mehrere Sekunden gedauert haben, führte der Dekra-Sachverständige im Hinblick auf seine Berechnung des Kollisionswinkels aus. Dies schien Staatsanwaltschaft und Gericht nach Abschluss der Beweisaufnahme unwahrscheinlich. Die Verteidigerin hegte allerdings „ganz erhebliche Zweifel“ daran, dass ihr Mandant bei vollem Bewusstsein auf die Gegenfahrbahn geriet. Sie forderte Freispruch. Ob Gerhard G. das Urteil annimmt, steht noch nicht fest. Entscheidender für ihn ist es, mit der moralischen Schuld am Tod eines Menschen fertig zu werden. Hoga

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