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Die meisten Studierenden jonglieren heute zwischen Studium und Arbeit

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Die meisten Studierenden jonglieren heute zwischen Studium und Arbeit Von Thomas Henseler Student müsste man sein, heißt es. Da würde man erst aufwachen, wenn die ersten Supermärkte schon wieder schließen, bekäme auch noch Geld vom Staat für seinen Lebensunterhalt und würde das Hobby zum Beruf machen, was ja letztendlich dann keine Arbeit wäre. Die Realität sieht allerdings ein klein wenig anders aus. Es gibt drei Gruppen von Studenten: Erstens die, die Geld haben, zweitens die, die ein bisschen Geld haben und drittens diejenigen, die keines haben. Zur ersten Gruppe: Wenn Vati und Mutti ihre Sprösslinge zu 100 Prozent finanzieren, dann ist natürlich alles bestens. Der „summa cum laude“ winkt noch während der Regelstudienzeit, da die volle Konzentration und die Bündelung aller körperlichen und geistigen Kräfte auf den ersehnten Abschluss gerichtet sind und man sich nicht mit so lästigen Fragen wie: „Kann ich diesen Monat meine Miete bezahlen?“ herumplagen muss. Die zweite Gruppe: Wenn der Staat dem Studenten mit BAföG unter die Arme greift, was ja immer dann der Fall ist, wenn Mutti und Vati nicht genug verdienen, ist durch die monatliche Zahlung die Miete schon mal gesichert. Studenten sind sehr bescheiden, anpassungsfähig und flexibel und eine kleine Kammer, wo ein Bett und im Idealfall noch ein Computer hineinpassen, sind da schon der Himmel auf Erden. Viel Zeit zum Trödeln bleibt hier aber nicht, da der Staat mit der BAföG-Zahlung auch bestimmte Zeit- und Zensur-Limits setzt. Man muss sich einschränken, es knarrt zwar ordentlich im Gebälk – aber man kann studieren und leben. Und die dritte Gruppe? Spannend wird es, wenn man sich komplett selber finanzieren muss. Bei bestandener Aufnahmeprüfung werden alle Leute gefragt, ob denn der finanzielle Unterhalt gesichert sei. Seltsamerweise ist kein Fall bekannt, wo jemand „nein!“ gesagt hat. Nach und nach kommt aber die Erkenntnis, dass man sein Studium vielleicht nicht so schnell wie seine Kommilitonen abschließen wird. Man befindet sich in einer klassischen Zwickmühle: Je mehr man studiert, umso weniger kann man arbeiten oder Geld verdienen und je mehr man arbeitet umso weniger kann man sich um sein Studium, das heißt Seminare, Hausarbeiten und Prüfungen kümmern. Studenten führen in der Regel ein recht geordnetes Doppelleben á la Dr. Jekyll und Mr. Hyde: Abends als Kellner in voll besetzten Kneipen unterwegs, als Zimmermädchen in Hotels, als Taxifahrer, als Gepäckstapler auf Flughäfen, oder als Servicekraft in einer Videothek, um morgens dann übermüdet sein Basiswissen im Hinblick auf „Gerontopsychiatrie – gestern und heute“ oder „Der Sowjetische Film in der Poststalinistichen Ära“ im Vorlesungssaal zu erweitern. Bei den meisten Jobs geht es darum, in kurzer Zeit so viel Geld zu verdienen, dass man Zeit für sein Studium hat. Schön ist es natürlich, wenn der Job neben dem Studium auch einen Fachbezug hat, ein Architekturstudent also in einem Architekturbüro arbeiten kann. Während Festangestellte einen gleichbleibenden, geregelten Arbeits- und Freizeitrhythmus haben, ist dies bei Studenten nicht so: Die Woche hat sieben Tage, „Wochenende“ ist ein Fremdwort, und die Nacht ist nicht zum Schlafen da, sondern zum Arbeiten oder Studieren. Um die Gerätekapazitäten der Unis rund um die Uhr auszulasten, werden eben auch Nachtschichten vergeben. Wir müssen immer müde lächeln, wenn sich Festangestellte kurz vor 17 Uhr über „zu viel Arbeit“ beschwerend, das Büro schon verschlossen auf den Weg in den gewohnten Feierabend begeben. Der Autor ist Student an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ (HFF) in Potsdam-Babelsberg.

Thomas Henseler

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