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Landeshauptstadt: Siebenjährige mit Diplom

In der Potsdamer Elternschule werden nicht nur künftige Mütter und Väter „ausgebildet“

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Woher kommt der Bauchnabel? Was macht eine Hebamme? Gehen Babys aufs Klo? Die Fragen zum Geschwister-Diplom sind schwer. Aber die elf Teilnehmer des Kursus bei Katrin Schumann sind bestens vorbereitet. Die kleinen Arme fliegen hoch, die gestreckten Zeigefinger erreichen fast die Zimmerdecke. „Ihr braucht hier nicht aufzeigen“, ruft die Hebamme zur Disziplinlosigkeit auf. Die künftigen Diplomanden flätzen sich ohnehin schon auf dünnen Matten und bauchigen Kissen, die im Kreis auf dem Holzfußboden liegen. Bruder Ruben, der einzige Junge unter den vielen künftigen Schwestern, teilt sich eine Kopfauflage mit seinem Stoffhasen. Hinter den gespannten Zuhörern sitzen ihre schwangeren Mütter auf Stühlen und staunen. „Am Bauchnabel war mal die Nabelschnur“, „Hebammen bringen Kinder auf die Welt“ und „Babys machen in Windeln“.

Die Kinder fallen sich ins Wort, die Antworten stolpern übereinander. Kursleiterin Schumann wiederholt die richtigen Aussagen, ergänzt sie. In einer Stunde auf der Elternschule sollen die Mädchen und der Junge auf das neue Geschwisterkind vorbereitet werden. Die Hebamme hilft, das kleine Wesen zu verstehen. „Wenn Babys auf die Welt kommen, können sie noch nicht sprechen“, erklärt sie. „Sie schreien, wenn sie Hunger haben, die Hosen voll sind oder ihnen sonst irgendwas nicht passt.“ Einige Mütter nicken und streicheln dabei ihren Bauch. Es sei am Anfang nicht immer spaßig mit dem neuen Erdenbewohner, werde aber mit der Zeit besser, tröstet die Hebamme.

Die Elternschule siedelte vor einem Jahr in ein gelb gestrichenes Haus in der Zimmerstraße um, nachdem die Ordensschwestern dort ausgezogen waren. Diese ungewöhnliche Bildungseinrichtung sei aus der Hebammensprechstunde des St. Josefs Krankenhauses hervorgegangen. Inzwischen gibt es ein breit gefächertes Kursprogramm, das hauptsächlich Geburtshelferinnen und Kinderkrankenschwestern gleichsam gestalten. Darunter sind Geburtsvorbereitungskurse, Rückbildungsgymnastik und Babymassage – auch Wochenendcrashkurse für künftige Mütter und Väter mit wenig Zeit. Die zwölf Mitarbeiterinnen organisieren die Elternschule zusätzlich zu ihrer Dienstzeit. „Wir wollen etwas für die Frauen tun“, nennt Hebamme Martina Schulze das Motiv. Wer einen der Kurse besucht, sei aber keineswegs verpflichtet, auch im St. Josefs zu entbinden. Die Elternschule sei unabhängig. Das Geschwister-Diplom kam zu den gängigen Angeboten dazu. Dass die dann großen Schwestern und Brüder in die Vorbereitung einbezogen würden, sei wichtig für ihr künftiges Verhältnis zum neuen Familienmitglied. So beuge man ein wenig der Eifersucht vor, sagt Martina Schulze.

Katrin Schumann holt ein gut eingepacktes Neugeborenes aus der Tasche. Die Demonstrationspuppe ist schon sichtbar durch viele Elternhände gegangen. Jetzt liegt sie in den Armen der siebenjährigen Amelie, die als erste den Säugling auswickeln darf. Vorsichtig legt das Mädchen das Bündel auf die Matte, öffnet die Knöpfe am Strampler. Die anderen Kursteilnehmer schauen mit offenen Mündern zu. Nun faltet Amelie die Stoffwindel auseinander: rechter Zipfel, linker Zipfel und das Mittelstück: „Es ist ein Junge“, ruft die Siebenjährige überrascht.

Bei dieser Erkenntnis hat Katrin Schumann einen Schnappschuss von dem Mädchen gemacht. Überhaupt fotografiert die Kursleiterin jede einzelne Wickeltechnik. Das Bild können sich die Kinder zum Beweis auf ihr Diplom kleben. Nicht alle sind so zartfühlend wie Amelie. Die fünfjährige Betty zerrt so an der Kleidung ihrer Puppe, dass deren Kopf hin- und herfliegt. Ihre Mutter ist ein wenig erschrocken und sagt: „So kannst du aber mit unserem Baby nicht umgehen.“ Hebamme Schumann greift das auf: „Ihr dürft niemals alleine etwas mit dem Säugling machen, sondern ihr müsst immer warten, bis Mama oder Papa dabei ist.“ Und obwohl das schon eindringlich genug war und die hebammengeprüften Geschwister keinen Mucks mehr machen, schickt Schumann hinterher: „Ohne Aufsicht ein Baby anzufassen ist strengstens verboten!“

Nicola Klusemann

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