zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Siemens baut Potsdamer Combino auseinander

Ab heute Fachleute-Team beim Verkehrsbetrieb / Zusätzliche Bahnen aus Berlin im Gespräch / Behinderte sind die Leidtragenden

Stand:

Ab heute Fachleute-Team beim Verkehrsbetrieb / Zusätzliche Bahnen aus Berlin im Gespräch / Behinderte sind die Leidtragenden Von Detlef Gottschling Potsdams Combino-Straßenbahnen bleiben weiter im Depot. Wann und ob sie wieder zum Einsatz kommen, ist völlig offen. Das sagte gestern Martin Weis, Geschäftsführer des Verkehrsbetriebs in Potsdam (ViP). Hersteller Siemens hatte am Freitag alle Betreiber dieser Bahnen – unter anderen in Basel, Freiburg, Erfurt, Amsterdam, Hiroshima und Melbourne – informiert, Combinos mit einer Laufleistung von über 120 000 Kilometern vorsorglich aus dem Betrieb zu nehmen. Siemens befürchtet Schäden an den Wagenkästen, wie bereits in Basel geschehen. Dort redet man sogar vom möglichen Einsturz des Wagendaches in Extremsituationen. Deshalb wurden in Potsdam am Freitag ab 16.15 Uhr alle 16 Combinos aus dem Verkehr gezogen. Wie Weis gestern sagte, handele es sich dabei um eine Rückrufaktion von einem bisher nicht gekannten Ausmaß. Die Potsdamer Fahrzeuge – angeschafft 1998 bis 2001 – haben alle 200 000 bis 400 000 Kilometer absolviert. Dem Hersteller warf Weis vor, dass man bisher noch keine offene Kommunikation betrieben habe. Einer Siemens-Pressemitteilung vom Freitag, die zunächst der ViP erhalten und dann an die Medien weitergeleitet hatte, war zu entnehmen, dass zum Zeitbedarf noch keine Angaben gemacht werden können. In einer zweiten Mitteilung am Abend hatte Siemens dann angekündigt, dass man den Kunden Anfang dieser Woche spezielle Teams zur Verfügung stellen wolle. Martin Weis sagte gestern, dass heute eine Siemens-Mannschaft in Potsdam beginnen soll, eine der Bahnen auseinander zu bauen. Erst dann werde man sehen, ob es auch hier Risse an den Gehäusen gebe. Eine Wiederinbetriebnahme der Wagen kommt für Weis aber erst nach entsprechenden Gutachten und der Abnahme durch die technische Aufsichtsbehörde in Frage. Dies kann bis zu sechs Monate dauern: Ein Dauerschwingtest, so wie gefordert, brauche diese Zeit. Georg Dukiewicz, Prokurist beim ViP, erläuterte, dass die Bahnen bei diesem Test extremen Belastungen ausgesetzt, praktisch künstlich gealtert werden. „Die sollen 30 Jahre halten, das wird mit einem halbjährigen Rund-um-die-Uhr-Test simuliert.“ Die Notleidenden sind in Potsdam nun behinderte Menschen und Ältere, auch Eltern mit Kinderwagen – denn nun sind wieder steile Stufen in die Tatra-Bahnen aus den Jahren 1985 bis 1987 zu überwinden. Die Niederflurtechnik steht mit den Combinos auf dem Abstellgleis. Im Fahrplan macht sich der Ausfall ebenfalls bemerkbar: In den Stoßzeiten können vor allem auf den stark frequentierten Linien von der Kirschallee, vom Kirchsteigfeld und vom Stern nicht mehr die Verstärkungszüge fahren – es gilt „Ferienfahrplan“. Gestern sind erstmals elf Bahnen auf diesen Strecken ausgefallen. Dies werde sich wohl erst heute richtig bemerkbar machen, so ViP-Geschäftsführer Weis, denn nach dem Wochenende würden zahlreiche Fahrgäste erst später wiederkommen. „Dienstags ist dann immer mehr los.“ Die Bus-Unterstützung zwischen Stern und Innenstadt bleibe weiter bestehen. Informiert über die Änderung werden die Fahrgäste über die elektronische Anzeigetafel an den Haltestellen sowie über die Medien und die ViP-Kundenzentren. Sorgen machen dem ViP die Tatra-Bahnen, die jetzt zusätzlich aktiviert würden. Insgesamt 54 sind ohnehin aktiv auf dem Gleis, woraus sich 27 Züge zusammenstellen lassen. Darüber hinaus aber müssen Wagen wieder eingesetzt werden, die zumindest optisch nicht mehr als Aushängeschilder galten. „Die bekommen wieder eine Drei-Monats-Zulassung.“ Hilfe von den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG), die mit weiteren Tatras aushelfen könnten, sei im Gespräch, so Weis: „Das Umrüsten auf unsere Fahrkartenautomaten würde 14 Tage dauern.“

Detlef Gottschling

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })