Von Dirk Becker: Sind so viele Zapfen
Der Potsdamer Karl Heinrich zur Mühlen zeigt die Pracht seiner Sammelleidenschaft
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Einst war der Mensch Jäger und Sammler. Gezwungenermaßen. Denn bevor er sesshaft wurde, um das Feld zu bestellen und Vieh zu züchten, zog er durchs Land und sorgte jagend und sammelnd für die notwendigen Grundnahrungsmittel. Heute ist der Mensch oft nur noch Sammler. Und wir wissen, dass er viel und alles Mögliche sammelt. Das oft mit Leidenschaft bis hin zur Raserei. Doch gelegentlich werden wir noch überrascht, wenn wir von einer bis dato nicht gekannten Leidenschaft erfahren und fragen nach, für den Fall, dass wir uns vielleicht doch verhört haben: Wie bitte? Was wird hier gesammelt?
Zapfen! Im speziellen Fall der aktuellen Ausstellung im Pavillon der Freundschaftsinsel sind es Kiefernzapfen. Insgesamt 875 Stück, zusammengetragen aus aller Welt und zum großen Teil in Vitrinen gezeigt. Nur ein paar wenige hängen an abgeschnitten Ästen von der Decke. „Pinus. Kiefernzapfen der Welt“ ist die Schau überschrieben, die am Freitag eröffnet wurde.
Was zuerst überraschte, war der Andrang, der bei dieser Eröffnung herrschte und für erhebliches Gedränge um die mit mehr oder weniger prachtvollen Zapfen in allen erdenklichen Größen und Formen gefüllten Vitrinen sorgte. Vor allem ältere Herren waren gekommen, die mit interessierten Gesichtern den einführenden Worten von Peter Schmidt lauschten, seines Zeichens Professor an der Forstlichen Hochschule der Technischen Universität in Dresden und Präsident der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft. Und der sparte nicht mit Superlativen.
Von einer „einzigartigen Sammlung“ sprach Schmidt, die ihresgleichen suche. Hier werde ein Großteil der Nadelgehölzgattung der Kieferngewächse (Pinaceae), von der es rund 100 verschiedene Arten gibt, „durch ihre Zapfen präsentiert“. Im internationalen Jahr der Wälder gäbe es schon eine Anfrage aus Italien, ob diese Zapfenschar nicht auch dort gezeigt werden könne. Seit Jahren unermüdlich zusammengetragen von einem „enthusiastischen Zapfensammler“, der von Peter Schmidt, wie sollte es auch anders sein, als Dank einen Zapfen geschenkt bekam. Ein eher unspektakulär wirkendes Exemplar für den Unkundigen. Für Karl Heinrich zur Mühlen, den „enthusiastischen Zapfensammler“, aber von großer Bedeutung. Denn dieser Zapfen vom Stamme einer „Pinus sylvestris var. Hamata“ fehlte noch in der Sammlung des Potsdamers.
Karl Heinrich zur Mühlen, ein schmaler Mann mit weißem Haar, weißem Bart und eindrucksvollen Augenbrauen, genießt mit stillem Lächeln die großen Worte von Peter Schmidt. Dass so viele zur Eröffnung seiner Ausstellung gekommen sind, überrascht ihn nicht. Viele der Besucher kennt er persönlich. Und wer nur Teile ihrer Gespräche hört, erkennt schnell, dass sie vor allem eines verbindet: Die Leidenschaft am Zapfensammeln.
Aber warum ausgerechnet Zapfen?
Karl Heinrich zur Mühlens Blick wirkt bei dieser Frage für einen Moment verständnislos. An seine Gärtnerlehre hatte der mittlerweile 64-Jährige ein Studium der Garten- und Landschaftsgestaltung angeschlossen. In der entsprechenden Fachliteratur habe er sich viel mit Laub- und Nadelgehölzen beschäftigt. „Und Nadelgehölze haben nun mal Zapfen“, so zur Mühlen. Es sei vor allem die Formenvielfalt der Zapfen gewesen, die ihn damals gepackt habe und bis heute nicht loslasse. Dann entschuldigt sich Karl Heinrich zur Mühlen. Er ist an diesem Tag ein gefragter Mann. Fotografen wollen ihn mit einem besonders prachtvollen Exemplar ablichten. „Kieferzapfen, so groß wie Menschenköpfe“, stand in der Pressemitteilung zur Ausstellung. Zumindest wenn es um entsprechende Aufmerksamkeit geht, kommt es noch immer auf die Größe an.
Dann ist da noch der ältere Herr mit Hut, der zur Mühlen herzlich begrüßt. In der einen Hand hält er einen exotisch wirkenden Kiefernzweig. Schon will man glauben, Zapfensammler schenken untereinander statt Blumen solche Zweige. Doch zu Mühlens beherzter Griff in die Nadelvielfalt zeigt, dass es hier um etwas anderes geht. „Darüber müssen wir uns in Ruhe unterhalten“, sagt zur Mühlen. Der Zweigbesitzer wirkt zufrieden. Er sagt, dass der Zweig von einer „30-Jährigen“ aus seinem Garten sei. „Daneben habe ich auch ein paar Siebenjährige“, und zeigt mit der Hand, wie groß sie schon geworden sind. Es hört sich an, als würde er über seine Enkel sprechen.
Gleich daneben steht die Vitrine mit den menschenkopfgroßen Zapfen. Wahre Kaventsmänner, die in Kalifornien und Mexiko an der Coulters Kiefer (Pinus coulteri) gedeihen. Wegen dieser riesigen Zapfen wird die Coulters Kiefer auch „widow maker“ (Witwenmacher) genannt. Soll niemand sagen, das Zapfensammeln sei nur ein harmloser Zeitvertreib!
Noch bis zum 20 März, mittwochs bis sonntags, 12-18 Uhr, im Pavillon auf der Freundschaftsinsel. Der Eintritt ist frei.
Dirk Becker
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