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Landeshauptstadt: Software-Gurus beim Arbeitsamt

Plattner und Kollege Winograd suchten nach Wegen für mehr Jobs in Deutschland

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Kreativität und Innovation sind der Schlüssel zum unternehmerischen Erfolg. Das weiß wohl niemand besser als der selbsternannte Software-Guru und Multimilliardär Hasso Plattner. „Kann man Innovation lernen?“, hieß es jüngst auf einer Veranstaltung am Potsdamer Hasso Plattner Institut (HPI). „Zwei IT-Gurus suchen neue Lösungen für die Arbeitsmarktpolitik“, so das für ein Software-Institut ungewöhnliche Motto der Präsentation. Neben Hasso Plattner war der Computerspezialist Prof. Terry Winograd von der US-Uni Stanford nach Potsdam gekommen. Die beiden Experten haben am HPI einen Workshop durchgeführt. Mit einer neu gegründeten Schule möchte Plattner der Kreativität am HPI einen eigenen Platz zuweisen.

Seit Oktober 2007, so war es der Wille des Mäzens Plattner, stellt man am HPI auch mal die Bildschirme aus. Dafür hat Hasso Plattner die „School of Design Thinking“ gegründet. Knapp 40 Studierende haben nun die Möglichkeit, in kleinen Teams über ungewöhnliche Lösungen für alte Probleme nachzudenken. Oder, wie es Terry Winograd formulierte, „überhaupt erstmal das richtige Problem zu finden“. Der Arbeitsmarkt in Deutschland ist eines der Leitthemen des ersten Jahrgangs.

Rote Ledersofas stehen für die neue und kommunikative Arbeitsatmosphäre im HPI. Wer kreativ sein will, so der Tenor auf der Veranstaltung, muss die gewohnte Umgebung verlassen. Eine Übung, der sich auch Winograd und Plattner im Rahmen des Workshops unterzogen haben. Auf ihren Recherchen zur Lösung des Arbeitsmarktproblems begaben sich der deutsche Firmengründer und der Professor aus Kalifornien gemeinsam in ein Berliner Arbeitsamt.

„Es war dort still wie in einer Kirche“, berichtete Plattner von dem Experiment. Die beiden auffällig gut gebräunten Forscher hatten den Raum angesteuert, in dem man selbständig in Datenbanken des Arbeitsamtes nach Jobs fahnden kann. Unter den strengen Augen einer Aufsichtsperson bedienten Winograd und Plattner eines der Terminals. Der Verbesserungsbedarf war offensichtlich: Winograd verstand kein Wort der deutschen Benutzeroberfläche. „Sprechen denn die Arbeitssuchenden alle Deutsch?“, wunderte sich Plattner. Auch der Zugriff auf das Internet wollte nicht klappen. „Vielleicht möchte ich ja die Homepage der Firma sehen, bei der ich mich bewerbe“, kritisierte Plattner. Theoretisch sei der Zugriff auf Suchmaschinen wie „Google“ zwar möglich. Man müsse aber den Administrator um ein Passwort bitten. Das trauten sich auch Winograd und Plattner nicht.

Nebenbei beobachteten die beiden Computerspezialisten, wie ein Arbeitssuchender an dem Programm scheiterte. Nie, so schien es, kam er weit über die Startseite hinaus. Sie kamen mit dem 53-Jährigen ins Gespräch. „Er zog gerade um und suchte einen neuen Job“, berichtete Plattner. „Er muss arbeiten, er hat nicht genug Geld.“ Mit der Hilfe der beiden „IT-Gurus“ gelang es dem Arbeitssuchenden schließlich, einen passenden Job zu finden. Es sei ihm sogar gelungen, einen Ausdruck des Jobangebotes zu machen, sagte Plattner ironisch. Sein Fazit: Die Datenbanken sind dringend verbesserungsbedürftig. Plattner hatte die Vision eines „Internetcafés Arbeitsamt“. „Wir müssen das Schweigen an diesen Orten brechen“, so seine Botschaft an das Potsdamer Publikum. Kreatives Chaos, so schien es, solle auch beim Arbeitsamt Einzug halten.

Diese experimentierfreudige, sogar naive Herangehensweise an Probleme möchte Plattner in seiner Schule fördern. Schnell und spontan soll der Innovationsprozess ablaufen. Im kalifornischen Stanford befindet sich ein ebenfalls von Plattner gegründetes Schwesterinstitut. Die studienbegleitende Ausbildung an der Potsdamer „School of Design Thinking“ dauert zwei Semester. Studierende aus unterschiedlichsten Disziplinen können sich um einen Platz bewerben. Die Podiumsdiskussion im HPI markierte die Halbzeit des ersten Studienjahres. So wird man noch etwas ausharren müssen, bevor die Studierenden ihre Lösungen für den Arbeitsmarkt präsentieren. Die Abschlusspräsentation ist erst am 11. Juli.

Mark Minnes

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