Landeshauptstadt: Sogar der Rosenkohl friert
Einbußen für Potsdams Öko-Landwirte durch langen Winter und Vogelgrippe
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Neu Fahrland/Bornim - Der lange Winter macht Potsdams Bio-Bauern zu schaffen: Bereits rund 10 000 Euro Einbußen muss der Neu Fahrländer Landwirt Ernst Ruden hinnehmen, weil in diesem Jahr die Stiefmütterchen-Saison für ihn fast komplett ausfällt. Eigentlich beginnt der Verkauf der Blumen jedes Jahr am 14. März. Doch Rudens Mitarbeiter können die Pflanzen, die noch unter der Erde stecken, nicht aus dem Boden holen. Denn der ist steinhart gefroren. Selbst wenn dieser in der nächsten Zeit auftaute, würden die Stiefmütterchen vier Wochen zu spät auf den Markt kommen, weil sie nach der Ernte acht Tage benötigen, um Blüten auszutreiben. Doch Mitte April kauft kaum jemand noch Stiefmütterchen, denn dann beginnt schon die Saison für Sommerblumen. Nun hofft Ruden auf die Friedhofsgärtnereien: „Die halten schon aus Tradition zu unseren Stiefmütterchen.“ Am hohen Verlust würde aber auch das nichts ändern.
Ähnlich geht es Hartmut Schüler vom Florahof in Bornim: „Wir bekommen den Porree und die Pastinaken nicht aus dem Boden“, so der Landwirt: „Die sind futsch!“ Futsch ist auch das Wintergemüse von Schüler: Der Rosenkohl und der Wirsing sind auf dem Feld schlichtweg erfroren. Gesamtschaden bis jetzt: rund 5000 Euro. Hinzu kommt, dass der Bio-Bauer wegen der eisigen Temperaturen sein Obst und Gemüse häufig gar nicht verkaufen kann. Normalerweise fahre er jedes Wochenende auf einen Öko-Markt nach Berlin, so Schüler. Doch bei Minusgraden würde ihm auf dem Stand unter freiem Himmel alles erfrieren.
Und mit der nächsten Woche kommt die nächste Sorge: Dann nämlich werden die Jungpflanzen geliefert – Petersilie, Blumenkohl, Brokkoli und Salat. Normalerweise sei es für das Gemüse im März warm genug. Doch wie soll er die Setzlinge bei dem andauernden Bodenfrost einpflanzen? „Ein Riesenproblem“, meint Schüler, „und viel zusätzliche Arbeit“: Denn nun will er große Flächen seiner Felder mit Flies und Folien auslegen, um die Erde zumindest für den Kohl aufzuwärmen. Bauer Ruden hat dagegen den Einkauf junger Pflanzen vorerst verschoben. So müssen auch die Kartoffeln warten. Darum werde es dieses Jahr zur Landpartie im Juni keine frischen Erdäpfel geben, die könne er voraussichtlich erst im Juli „buddeln“. Insgesamt ein Drittel seiner Einnahmen werden dieses Jahr durch verspätete Ernten ausfallen, schätzt er. Und das, obwohl die Preise für Dünger, Pflanz- und Saatgut bis zu sechs Prozent gestiegen sind. Gerhard Neumann vom Bornimer Erntegarten rechnet ebenfalls mit Verlusten. Frühgemüse und Erdbeeren würden wahrscheinlich 14 Tage später reif. Das Problem: Die Früchte des Ökobauern kommen zeitgleich mit den billigeren Importen auf den Markt – starke Konkurrenz für den Bornimer. Lediglich um das Baumobst sorgt sich Neumann nicht: „Die Natur holt da viel auf.“
Doch was die „tausenden Wildgänse“ auf Rudens Feldern derzeit wegfressen, bleibt verloren, befürchtet der Bauer. An sich nichts Schlimmes, dass die Vögel über die Sprösslinge seines Winterroggen und -weizen her fallen. In diesem Jahr allerdings hätten sie keine Auswahl. Weil es „zu wenig Grün“ gibt, fräßen die Gänse die jungen Pflänzlein bis auf die Wurzeln ab und zerstören so das Getreide.
„Wir sind schon zu Beginn des Jahres arg gebeutelt“, so Ruden. Und als wär der Winter nicht hart genug, macht sich nun auch die Vogelgrippe im Umsatz bemerkbar. Neumann wird nur noch ein Viertel seiner sonst verkauften Eier los – die Kunden seien in „panische Angst und Schrecken“ geraten. Rudens und Schülers Eierumsatz sei ebenfalls merklich gesunken.
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