Landeshauptstadt: Soldaten ohne Waffen
Potsdam war Veranstaltungsort des ersten Bausoldatenkongresses
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Potsdam war Veranstaltungsort des ersten Bausoldatenkongresses Zu Beginn des dreitägigen Bausoldatenkongresses erhoben sich am Freitag im Alten Rathaus die 350 Teilnehmer von ihren Plätzen, um den 2003 verstorbenen Potsdamer Rudolf Tschäpe zu ehren. Der Physiker hatte wie sie in der DDR-Zeit den Dienst mit der Waffe verweigert. Diese Bewegung, die im Lauf der Jahre 16 000 Wehrpflichtige erfasste, zwang die SED-Führung 1964 dazu, als einziges Ostblockland offiziell Bausoldatenkompanien aufzustellen. Rudolf Tschäpes weiterer Werdegang zum Unterzeichner des Erstaufrufs des Neuen Forums 1989 und zum Bürgerrechtler unterstützt die Hauptaussage des Kongresses: Die Bausoldaten, die Zivilcourage zeigten und dafür Karrierenachteile hinnehmen mussten, seien eine der wichtigsten Ausgangspunkte für die innere Opposition gewesen, die schließlich 1989 das SED-Regime zu Fall brachte. Diese These wurde über die Sitzungen, Podiumsdiskussionen und Gespräche in Arbeitsgruppen hinaus in mehreren Ausstellungen über den Alltag der Bausoldaten deutlich gemacht. Die Bausoldaten blieben sich auch beim Jubiläumskongress treu: Er wurde durch sie selbst unter dem Dach der Robert-Havemann-Gesellschaft vorbereitet und durchgeführt. Der Leiter der Initiativgruppe, Wolfgang Stadthaus, konnte bei der Eröffnung auf Grußadressen von Bundespräsident Horst Köhler und dessen Vorgänger Johannes Rau hinweisen. Sie würdigten, dass mit dem Kongress erstmals ein bisher weitgehend unbeachtetes wichtiges Kapitel der DDR-Geschichte öffentlich gemacht wird. In die Fülle der Veranstaltungen ordnete sich ein Gesprächskreis der Totalverweigerer ein, die in dem Potsdamer Rechtsanwalt Volker Wiedersberg ihre zentrale Figur haben. Er betreibt einen Musterprozess, in dem er die Verfassungswidrigkeit der Wehrpflicht nachweisen will. Als Jurastudent hatte Wiedersberg jeglichen Zwangsdienst, also auch Zivildienst, abgelehnt. Dafür war er noch nach der deutschen Wiedervereinigung vor Gericht gestellt worden. Dagegen befürwortete, begleitet von einigen Buhrufen, der CDU-Bundestagsabgeordnete Rainer Eppelmann, dessen Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur den Kongress mitfinanziert hatte, ein generelles Dienstjahr für alle Jugendlichen, das mit oder ohne Waffe abgeleistet werden könne. Diese unterschiedlichen Auffassungen verdeutlichen, wie es in der Abschlusserklärung des Kongresses heißt, dass „Widerspruch weiter gebraucht wird und Engagement weiter nötig bleibt“, um Konflikte ausschließlich gewaltfrei zu lösen. Stadthaus zeigte sich erfreut, welch große Gastfreundschaft den Bausoldaten in der alten Militärstadt Potsdam entgegen gebracht wurde. Selbst der Verein „300 Jahre Preußen“ stellte seine Räume in den Bahnhofspassagen für die Ausstellung „Briefe von der waffenlosen Front“ zur Verfügung. Oberbürgermeister Jann Jakobs wies in seiner Ansprache darauf hin, dass in der Stadt fast alle Kasernen einer zivilen Nutzung zugeführt wurden. In Potsdam werde die Tradition der Toleranz gepflegt und verteidigt. E. Hohenstein
E. Hohenstein
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