PRO & Contra: Sollen Potsdams Klinikum-Ärzte streiken?
Ärzte tragen während ihrer Arbeitszeit eine enorme Verantwortung: Machen sie einen Fehler, könnte den ein Patient mit dem Leben bezahlen. Das ist eine große psychische Belastung.
Stand:
Ärzte tragen während ihrer Arbeitszeit eine enorme Verantwortung: Machen sie einen Fehler, könnte den ein Patient mit dem Leben bezahlen. Das ist eine große psychische Belastung. Hinzu kommt, dass Ärzte oft bis zu 24 Stunden am Stück arbeiten müssen – kaum eine andere Berufsgruppe hat ähnlich harte Arbeitszeiten. Dass ein Arzt nach einem 20- oder eben gar 24-Stunden Tag, wie er etwa für Bereitschaftsdienst leistende Ärzte im St. Josefs-Krankenhaus üblich ist, irgendwann abgekämpft und übermüdet ist, ist logisch. Welcher Patient möchte sich von einem solchen Arzt behandeln, geschweige denn im akuten Notfall operieren lassen?
Doch ein Arzt kann nicht einfach sagen: „So, ich brauche jetzt mal ein Päuschen!“ Wenn ein verunglückter Motorradfahrer eingeliefert wird, muss er sofort handeln und Leben retten. Er steht also fast immer unter immenser Anspannung. Das sind nicht nur keine optimalen sondern äußerst schlechte Arbeitsbedingungen. Die Leidtragenden sind nicht nur die überlasteten Ärzte, sondern auch die Patienten.
Wenn die Potsdamer Ärzte gegen diese Bedingungen auf die Straße gehen würden, sollten die Bürger dieser Stadt sie unterstützen und den Sozialneid – etwa auf gute Gehälter – hinunter schlucken. Denn der ist fehl am Platz. Nicht nur, dass die Ärzte in unseren Krankenhäusern hart und länger als die meisten anderen arbeiten und eine große Verantwortung tragen: Sie haben auch eine sehr, sehr lange Ausbildungszeit hinter sich. Nach rund fünf Jahren Studium und einem Jahr Praktikum braucht ein Assistenzarzt noch weitere fünf bis sechs Jahre, um Facharzt zu werden. Und als dieser verdienen sie im westeuropäischen Vergleich auch noch relativ wenig. Da seien ihnen bessere Arbeitsbedingungen gegönnt. Juliane Wedemeyer
Die Ärzte des Klinikums haben wie Mediziner im Allgemeinen einen schweren Stand. Menschen werden 24 Stunden am Tag krank und Unfälle sind in den seltensten Fällen geplant. Daraus resultiert, dass die Betreuung im Krankenhaus 24 Stunden lang gewährleistet werden muss, während die Praxen der niedergelassenen Ärzte nur tagsüber offen haben. Daran kommt keiner vorbei, der sich medizinischen Diensten und somit symbolisch dem hippokratischen Eid verschreibt und verschrieben hat. Glaubt man dem Geschäftsführer des Klinikums, verdient ein Assistenzarzt im Bergmann inklusiver aller Zuschläge im Jahr zwischen 70 000 und 80 000 Euro brutto. Die Geschäftsführerin des Josefs-Krankenhaus nennt ähnliche Zahlen, wenngleich etwas niedriger. Im Vergleich zu einigen niedergelassenen Ärzten in Brandenburg, die derzeit wegen bedrohter Existenzen in den Ausstand treten, ist das ein Jammern auf hohem Niveau. Die Klinikums-Ärzte dürften nicht des Geldes wegen streiken, denn sie werden (noch) nach BAT bezahlt. Ein Ausstand aus diesem Grund, wie bei den Medizinern der Charité, wäre in Potsdam, der Stadt mit einem durchschnittlichen Bruttoverdienst von etwa 2400 Euro monatlich, kaum vermittelbar. Zudem würde es einen wenig sozialen Eindruck hinterlassen für die Bezahlung der eigenen Überstunden und weniger Arbeitszeit zu streiken, gegen den zuletzt geschehenen Stellenabbau von Stationshelferinnen und Krankenschwestern jedoch – zumindest nach außen hin – nichts zu sagen. Eventuelle Streikpläne sollten eingefroren und in hitzigeren Zeiten aufgegriffen werden. Denn die werden in den kommenden drei Jahren auch auf das Klinikum zukommen. Zuletzt haben Wirtschaftsprüfer vorgeschlagen, die Kosten des Krankenhauses deutlich zu reduzieren und die Fallzahlen pro Arzt zu erhöhen. Jan Brunzlow
Juliane Wedemeyer
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: