PRO & Contra: Sollte die Stadt häufiger die Bürger entscheiden lassen?
Es wäre auf jedem Fall interessant, wie sich die Potsdamer zu einzelnen Vorhaben der Verwaltung positionieren. Ob es dann einen Neubau der Trambrücke für zehn Millionen Euro gäbe oder das geplante Niemeyer-Bad für 33 Millionen Euro netto?
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Es wäre auf jedem Fall interessant, wie sich die Potsdamer zu einzelnen Vorhaben der Verwaltung positionieren. Ob es dann einen Neubau der Trambrücke für zehn Millionen Euro gäbe oder das geplante Niemeyer-Bad für 33 Millionen Euro netto? Die Frage kann nicht beantwortet werden, da die Bürger nicht in den bisherigen Entscheidungsprozess eingebunden worden sind. Zu unrecht, denn ein in den Amtsstuben gut vorbereitetes und ordentlich kommuniziertes Vorhaben wird auch in der Bevölkerung wohlwollend aufgenommen. Ein gutes, die geplante Entwicklung der Stadt förderndes Vorhaben und ein Bürgerentscheid sorgen für den größtmöglichen Konsens, den es geben kann. Ein gutes Vorhaben wird zwar dadurch nicht besser, aber ein in den Augen der Potsdamer unnötiges vielleicht verhindert. Dabei ist die Stadtverwaltung auf dem Wege, die Mitbestimmung der Einwohner einzuholen. Bürgerkommune heißt das Stichwort für die kommenden Jahre, Potsdamer sollen perspektivisch Prioritäten setzen können und bereits vor der Planung mitbestimmen, was in der Landeshauptstadt passieren soll. Das wird ein langer Prozess werden, der durch Bürgerbegehren, Bürgerentscheide oder andere in der Gemeindeordnung legitimierte Mitbestimmungen zwar nicht beschleunigt, aber überbrückt werden kann. Schon jetzt sollten die Potsdamer daher bei wegweisenden und stadtprägenden Prozessen in die Entscheidung eingebunden werden. Auch wenn sie grundsätzlich gesehen ihre eigenen Volksvertreter per Wahl in die Legislative entsenden – in Potsdam alle vier Jahre bei der Kommunalwahl in die Stadtverordnetenversammlung. So sollte ihnen dennoch die Mitbestimmung nicht vorenthalten werden. Die Möglichkeiten werden durch die Gemeindeordnung begrenzt, sind aber für bestimmte Prozesse zulässig. jab
Mit basisdemokratischen und plebiszitären Elementen werden nicht selten falsche Hoffnungen verbunden. Oft wird die Forderung nach Bevölkerungsbefragungen aufgemacht, weil die Entscheidungen der Verwaltungen oder der Parlamente in ihrer Qualität kritisiert werden. Doch dem muss entgegen gehalten werden: Werden Entscheidungen schon deshalb besser, weil mehr Menschen hinter ihr stehen, weil sie von mehr Menschen getragen werden? Das ist sicher nicht der Fall. Viele Köche verderben den Brei, sagt der Volksmund – und hat in diesem Punkt sogar recht. Die Gunst des Volkes wendet sich bald diesem, bald jenem zu, über der Demokratie lauert das Damoklesschwert der Demagogie. Analysen haben ergeben, dass das Volk immer eher konservativ entscheidet nach dem Motto, alles soll so bleiben wie es ist. Deshalb ist es auch so unbegreiflich, warum es häufig gerade die Reformkräfte sind, die nach mehr Basisdemokratie rufen. Also: Nicht die Weisheit einer Entscheidung steigt in der Basisdemokratie, sondern der Grad der Legitimation der Entscheidung. Wer sich aber die gegenwärtige Situation in Potsdam verdeutlicht, der wird möglicherweise darauf kommen, dass die Stadt gar kein Legitimationsproblem oder ein Demokratiedefizit hat. Die Stadtverordneten versuchen rege Repräsentanten ihrer Wähler in der Stadtverordnetenversammlung zu sein. Jeder kann bei seinem Parlamentsvertreter vorstellig werden und darf guter Hoffnung sein, dass sein Einzelanliegen auch zur Sprache kommt. Es könnte vielmehr die Erkenntnis keimen, dass die kommunalen Entscheidungen ausgewogener, überlegter, expertisehaltiger sein sollten. Dann aber geht es nicht darum, dass kommunale Entscheidungen von noch mehr Menschen getroffen werden – sondern von noch klügeren. Guido Berg
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