Landeshauptstadt: „Soziale Katastrophe“
Potsdamer lehnen neues Arbeitslosengeld ab
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Potsdamer lehnen neues Arbeitslosengeld ab Spätestens am Donnerstag werden die Potsdamer Arbeitslosenhilfeempfänger in ihren Briefkästen die Antragsformulare für das neue Arbeitslosengeld II finden. Wie im Hartz IV-Konzept vorgesehen, sollen damit zum 1. Januar 2005 Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe zusammengelegt werden. Die PNN haben die Potsdamer nach ihrer Meinung zur Arbeitsmarktreform gefragt. Der 43-jährige Familienvater Uwe Hanschke kann nichts Gutes an Hartz IV erkennen: „Wie ich es verstehe, hat der kleine Mann am Ende noch weniger Geld im Portmonee.“ Der gelernte Messebauer ist froh, in Lohn und Brot zu stehen. Weil sich das aber jederzeit ändern könne, habe er sich trotzdem schon mal über die neuen Regelungen für Arbeitslose informiert. Unsinnig findet er, dass in Zukunft jeder jede Arbeit annehmen müsse: „Einen Bäcker kann man doch nicht zum Straßenbau schicken.“ Noch drastischer formuliert es die 23-jährige Studentin Judith Kirsten: „Ich finde das Arbeitslosengeld II eine große Sauerei. Sollen doch diejenigen, die das bestimmt haben, mal von dem bisschen Geld leben! Dann werden sie schon sehen, wie unmöglich das ist.“ Apothekerin Gabriele Kleinpeter sorgt sich um ihre Tochter: „Sie ist jetzt mit dem Jura-Studium fertig, aber ohne Beziehungen hat man ja heutzutage keine Chancen. Wenn sie nach dem Studium keine Anstellung findet, soll sie dann zum Spargel stechen gehen oder die Straße kehren? Das fände ich unter ihrer Würde.“ Der 29-jährige Student Robin Becker hält Hartz IV für eine „soziale Katastrophe“. Selbst wenn der Staat dadurch langfristig Geld spare und dieses dann wieder in neue Arbeitsplätze investiere, würde es Jahre dauern, bis die Betroffenen davon etwas merken. Lehramtsstudentin Sonja Giebler, 27, gibt zu bedenken: „Die meisten sind unverschuldet in diese Situation geraten und werden nun noch dafür bestraft. Ich denke, der Gang zum Amt ist sowieso schon mit Überwindung verbunden. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man dort nicht immer höflich behandelt wird.“ Die Offenlegung der Vermögensverhältnisse findet sie hingegen angebracht: „Das müssen die Sozialhilfeempfänger ja jetzt schon.“ Das Ehepaar Keller kommt aus Düsseldorf und ist gerade auf Potsdam-Besuch. Sie kommentieren Hartz IV aus westlicher Sicht. Sabine Keller: „Am schlimmsten finde ich, dass man die Ersparnisse fürs Alter nicht behalten darf, sondern erst vollständig alle Reserven aufbrauchen muss, bevor der Staat hilft. Es ist ungerecht, dass diejenigen, die ihr Geld immer gleich im Ibiza-Urlaub verjubelt haben, jetzt sofort etwas vom Staat bekommen, wenn sie arbeitslos werden.“ Ihr Mann Udo Keller sieht Hartz IV als einzelnen Punkt im großen Sparplan der Bundesregierung: „Nicht nur die Arbeitslosen sind betroffen. Ich habe im letzten Jahr auch keine Rentenerhöhung bekommen.“ Juliane Schoenherr
Juliane Schoenherr
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