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Jüdische Bestattungen in Potsdam: Sozialgericht rügt Stadt

Potsdams Bestattungspauschale für jüdische Bürger ist zu niedrig - das hat das Sozialgericht einer bedürftigen Witwe jetzt bestätigt. Doch der Grabstein-Streit ist nach Ansicht der Gesetzestreuen Jüdischen Gemeinde nur die Spitze des Eisbergs.

Von Katharina Wiechers

Stand:

Im Streit um die Kosten von Bestattungen jüdischer Bürger in Potsdam hat die Gesetzestreue Jüdische Gemeinde einen Etappensieg gegen die Stadt errungen. In einem aktuellen Fall entschied das Sozialgericht Potsdam zugunsten einer mittellosen jüdischen Witwe, die auf eine höhere Unterstützung durch die Stadt bei der Bezahlung des Grabsteins für ihren Mann gedrungen hatte. Die Stadt will nun ihre Zuschusspraxis bei Begräbnissen zu überdenken.

Die Frau ist Sozialhilfeempfängerin und hat damit Anspruch auf finanzielle Unterstützung durch die Stadt bei der Bestattung ihres verstorbenen Mannes. Im Mai 2012 wurde er beerdigt, nach jüdischer Tradition muss ein Jahr später der Grabstein aufgestellt werden. Laut Kostenvoranschlägen würde dies 1000 bis 2000 Euro kosten, doch die Stadt gewährte der Frau lediglich eine Kostenerstattung von 350 Euro. Zur Begründung hieß es, die Höhe der Kosten sei nicht angemessen. Außerdem diene das Aufstellung eines Steins nicht unmittelbar der Bestattung und müsse daher nicht zu den Beerdigungskosten gerechnet werden. Ohnehin sei ein Grabmahl nach der Friedhofssatzung nicht vorgeschrieben. Gegen diesen Bescheid der Stadt reichte die Seniorin Klage ein – mit Erfolg.

Laut Sozialgericht muss die Stadt nun Kosten in der Höhe von 682,33 Euro erstatten. Die Stadtverwaltung habe nicht dargelegt, wie der Pauschalbetrag von 350 Euro zustande kam, heißt es in dem Beschluss. Die Schlüssigkeit desselben sei „in keiner Weise nachprüfbar, geschweige denn plausibel“. Die Kosten müssten individuell ermittelt und dem religiösen Bekenntnis Rechnung getragen werden. Der Beschluss stärkt die Auffassung der Gesetzestreuen Jüdischen Gemeinde Potsdam, die die Witwe unterstützt hatte. Geschäftsführer Shimon Nebrat hatte der Stadt vorgeworfen, eine Bestattung im Rahmen der jüdischen Tradition zu verhindern und die Menschenwürde zu verletzten.

Jüdische Bestattungen unterscheiden sich in mehreren Punkten von den christlichen. Unter anderem wird der Grabstein erst nach Ablauf der sogenannten Jahrzeit aufgestellt. „Die Stadt Potsdam verletzt kontinuierlich und gezielt die Rechte der jüdischen Zuwanderer“, sagte Nebrat. Der Konflikt um die Bestattung sei nur die Spitze des Eisbergs. „Die Stadt will sich der Verantwortung für die Wiederherstellung des vernichteten jüdischen Lebens entziehen und die jüdischen Zuwanderer vertreiben.“

Die Stadt teilte mit, dass sie dem Urteil folgen werde. Zudem solle die Kostentabelle überarbeitet werden. 30 Steinmetze in Potsdam und Umgebung wurden einem Sprecher zufolge angeschrieben und um die Abgabe von Angeboten gebeten. So soll ein realistischer Wert für die Beauftragung der Kosten für einen Grabstein ermittelt werden. Obwohl noch nicht alle Angebote da sind, sei bereits erkennbar, dass der Großteil der bisher abgegeben Angebote über dem bislang geltenden Satz von 350 Euro liegt, sagte der Sprecher. 

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