Landeshauptstadt: SPARta des Nordens
Potsdam will nicht Kulturhauptstadt, sondern Sparhauptstadt Europas werden
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Potsdam will nicht Kulturhauptstadt, sondern Sparhauptstadt Europas werden Auf einer kurzfristig für heute, 24 Uhr, einberufenen Sondersitzung wird Oberbürgermeister Jann Jakobs der Stadtverordnetenversammlung einen historischen Beschluss vorlegen. Wie aus den verschlossenen Rathaustüren durchsickerte, soll das für 2004 vorgesehene Jahresthema „Potdam als Stadt der Wissenschaften“ gekippt und die Bewerbung als „Kulturhauptstadt Europas 2010“ zurückgezogen werden. Potsdam will sich nun um den Titel „Sparhauptstadt Europas“ bemühen. Die Kampagne soll unter dem Motto „SPARta des Nordens“ laufen. Jakobs hält einen Erfolg dieser Bewerbung „für so gut wie sicher“. Er verwies darauf, dass durch Abbau sozialer Einrichtungen, Schulschließungen und Mittelkürzungen für freie Kulturträger eindrucksvolle Sparbeispiele geschaffen wurden, an denen die Jury nicht vorbeigehen könne. Eine Blitzumfrage der PNN bei den Fraktionen ergab, dass in der Stadtverordnetenversammlung mit einer klaren Mehrheit zugunsten der Bewerbung gerechnet werden kann. PDS-Chef Dr. Hans-Jürgen Scharfenberg folgt im wesentlichen den Argumenten des Oberbürgermeisters, sieht einige Punkte aber kritisch. Seine Fraktion werde deshalb den Antrag einbringen, Potsdam nicht als Sparhauptstadt, sondern als Schuldenhauptstadt Europas ins Rennen zu schicken. Andreas Mühlberg (SPD) geht davon aus, dass die Bewerbung nicht mehr als die Öffentlichmachung des Sparkurses darstellt, für den seine Partei seit Jahren eintritt. Dadurch sei es u.a. bereits gelungen, ein Viertel aller Schulen in Potsdam zu schließen, verdeutlichte er. Die konsequente Fortsetzung dieses Weges, der jetzt auch die Gesamtschulen erreicht, sollte bei der Bewerbung besonders herausgestellt werden Eberhard Kapuste (CDU) begrüßt die Initiative, da er so als Vorsitzender des Kulturausschusses entlastet wird. Auch persönlich liege er voll auf Sparkurs und habe sich durch seinen Austritt aus dem CDU-Ortsverband Potsdam-Nord und seinen Rückzug aus dem Ortsbeirat Eiche bereits den ständigen Anblick der Gesichter jener Parteifreunde erspart, die ihn nach den letzten Wahlen als CDU-Fraktionsvorsitzenden geschasst hatten. Die aus der Bürgerbewegung hervorgegangenen Fraktionen Bündnis 90/Grüne und BürgerBündnis erhoffen von der Kampagne die Durchsetzung alter Forderungen, Saskia Hüneke den Verzicht auf den Weiterbau des Potsdam-Centers zum Erhalt einer Stadtbrache und Ute Platzeck die Rückzahlung der von der Stadt gewährten Unterstützungssummen durch den SV Babelsberg 03, um diesem ungeliebten Verein endgültig den Garaus zu machen. Für die Bewerbung gebe es auch eine historische Begründung, erklärte gegenüber PNN der für seine profunden Geschichtskenntnisse bekannte Abgeordnete Lutz Boede, Fraktion „Alles Andere“. Die Bezeichnung „Athen des Nordens“, die das Potsdam Friedrichs II. als Kunst- und Kulturstadt hochspielen wolle, stelle ohnehin eine Geschichtslüge dar. SPARta des Nordens sei da viel treffender, denn dieser Name leite sich aus der SPARpolitik des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. ab.
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