Von Bernd Kluge: Spartanische Fremdenzimmer auf Rädern
In Kienitz übernachten Gäste in früheren Schäferwagen
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Kienitz - Wer auf dem Erlenhof übernachtet, muss zum Duschen quer über den ganzen Hof. Denn im Schlafquartier ist dafür kein Platz. Es ist nur wenige Quadratmeter groß, steht auf zwei Rädern und dient in erster Linie zum Übernachten. Die umgestalteten ehemaligen Schäferwagen sind noch ein Geheimtipp.
„Angefangen haben wir im vergangenen Jahr mit einem nachgebauten Wagen“, erzählt Erlenhof-Hausherrin Barbara Brunat aus dem Oderbruch-Ort Kienitz. In diesem Jahr kam ein zweiter hinzu, beide waren ihren Angaben nach den Sommer über fast immer ausgebucht. Dabei bedeutet das Übernachten im beengten, mit Schafwolle gedämmten Schäferwagen vor allem Verzicht auf gewohnten Komfort. In dem einen Wagen muss man auf der Doppelbank eng zusammenrücken, damit zwei Personen Platz finden. Im zweiten, etwas größeren Wagen schlafen die Gäste wie in Schiffskojen übereinander. Hat er die beengte Nacht überstanden, wird der Gast quasi von Schafen geweckt, blickt beim Aufstehen ins Grüne und frühstückt selbst gebackenen Kuchen. Vor den Wagen stehen zudem Liegen und Sonnenschirme sowie Tisch und Stühle. „Hier gibt es nicht so viel, was einen von sich selbst ablenkt“, hat ein Berliner ins virtuelle Erlenhof-Gästebuch geschrieben. Stolz ist die Hausherrin auf ihr drittes Übernachtungsdomizil, das Ehemann Karl-Heinz gerade zu Schlafzwecken umbaut. „Das ist ein etwa 100 Jahre alter Original-Wohnwagen eines Wanderschäfers“, sagt sie und weist auf die hölzernen Wagenräder und die Klappe für den Hütehund an der Seite. Das alte Gefährt ist so konstruiert, dass wohl nur eine Person darin übernachten kann.
„Wir hatten auch schon Einzelgäste“, erzählt Brunat und erinnert sich an einen älteren Herrn, der zunächst notgedrungen bei ihnen einkehrte, weil in der Umgebung kein freies Fremdenzimmer mehr zu bekommen war. Er habe letztlich nichts vermisst, brauche gar nicht so viel, um zufrieden zu sein, ließ er seine Kienitzer Wirtin beim Abschied wissen. Angefangen hat das Schäferwagen-Projekt der Brunats vor mehr als sechs Jahren, als die gebürtigen Berliner das Häuschen in Kienitz und zwei Hektar Land kauften, um es zunächst zu ihrem Wochenenddomizil zu machen. Als Barbara Brunat im Jahr 2007 ihre Arbeit verlor, zog die heute 56-Jährige ganz nach Kienitz.
Schon ein Jahr zuvor hatte sich das Ehepaar Schafe angeschafft, die „beim Rasenmähen“ helfen sollten. Die Erlenhof-Wirtin organisierte sich auch menschliche Gesellschaft. „Ich möchte nicht isoliert leben, sondern die Menschen hier kennenlernen“, sagt sie und veranstaltet seit geraumer Zeit Kaffeeklatsch-Runden. „Man muss auf die Leute zugehen, von allein kommen die nicht“. Das Brunatsche Haus ist inzwischen Treffpunkt eines Handarbeitskreises und beherbergt einen Hofladen mit Schafsmilch-Seifen, selbst gestrickten Wollsocken sowie Konfitüren. „Ich habe Spinnen, Stricken und Marmeladekochen gelernt“, erzählt die Hausherrin stolz. Wiederholt hätten Einheimische und Touristen, die den Erlenhof besuchten, nach Übernachtungsmöglichkeiten gefragt. „Im Internet stießen wir Ende 2008 auf eine bayerische Firma, die Schäferwagen nach historischem Vorbild baut, und wussten: Das ist es“, erinnert sich Barbara Brunat. Selbst ohne Werbung kamen im ersten Jahr zwei Dutzend Gäste. „Sie bleiben zwar meist nur ein paar Tage, weil der Platz eben sehr knapp ist, sind aber hellauf begeistert“, sagt die Erlenhofchefin. Nach ihren Worten kommen ganz besondere Menschen zum Übernachten im Schäferwagen. „Sie beschränken sich auf das Wesentliche, um zu entspannen und zu sich selbst zu finden. Umso intensiver empfinden sie das, was da ist.“ Laut Brunat lohnt sich ein Abstecher in ihre ungewöhnlichen Übernachtungsdomizile noch bis zum ersten Frost. Für die nötige Wärme sorgen jede Menge Schaffelle.
www.erlenhof-im-oderbruch.de
Bernd Kluge
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