
© Manfred Thomas
Von Michael Meyer: Spiel für Legenden
Fußball-Drittligist SV Babelsberg 03 bezwang den 1. FC Heidenheim nach zweimaligem Rückstand mit 4:3, obwohl er 66 Minuten im Unterzahl spielte / Gäste-Coach wähnte sich „im falschen Film“
Stand:
Solche Spiele taugen für Legenden. Frühzeitig am Boden, wieder aufgestanden, erneut im Hintertreffen und am Ende trotz 66 Minuten in Unterzahl doch strahlender Sieger – Drittligist SV Babelsberg durchlebte am Samstag daheim gegen den 1. FC Heidenheim alle Tiefen und Höhen eines Fußballspiels, ehe durch ein 4:3 (2:1) erstmals seit dem 21. September wieder drei Punkte gewonnen wurden. „So etwas erlebt man nicht oft", gestand Mittelfeldregisseur Anton Müller anschließend beim Gang in die Kabine, während Gäste-Trainer Frank Schmidt später frustriert meinte: „Da wir in Babelsberg sind: Ich glaube, ich bin im falschen Film.“
Immer wieder nämlich sah es so aus, als sei der favorisierte Tabellenfünfte vor 1778 Zuschauern auf dem Weg zum vierten Sieg in Folge. Bereits früh vernaschte Heidenheims Torjäger Patrick Mayer nach Zuspiel Marc Schnatterers links die gesamte SVB-Abwehr und netzte aus spitzem Winkel zum 0:1 ein (5.). Dann sah der als zweite Babelsberger Spitze gedachte Süleyman Koc – schon früh nach einer Kollision mit FC-Keeper Erol Sabanov gelb-verwarnt (2.) – die Gelb-Rote Karte (24.), nachdem er an der Mittellinie (!) David Schittenhelm gefoult hatte. „Da dachte ich, unser Film sei schon gerissen“, gestand später Nulldrei-Trainer Dietmar Demuth. Auch die Gäste dachten wohl, das Spiel sei bereits gelaufen, denn sie nahmen einen Gang raus und wurden noch vorm Pausenpfiff dafür bestraft. Zunächst jagte Guido Kocer nach Vorlage Kai-Bastian Evers den Ball von der Strafraumgrenze straff in die Heidenheimer Maschen (43.). „Ich habe mir ein Herz gefasst und ihn reingehauen", so der Torschütze später. Und schon in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit verwandelte Tom Schütz, zuvor durch Richard Weil zu Fall gebracht, einen 22-Meter- Freistoß an der Gäste-Mauer vorbei zum 2:1 (45.+1). „Es wurde Zeit. Im Training hatten diese Freistöße schon immer geklappt – heute konnte ich das endlich umsetzen“, freute sich Schütz nach seinem ersten Saisontor.
Babelsbergs Fans waren aus dem Häuschen und dann doch wieder am Boden, denn der 1. FC straffte sich mit Wiederanpfiff und nutzte einen dicken SVB-Schnitzer zum 2:2, als nach einer Flanke Christian Essigs von links Pechvogel Robert Paul das Leder Richtung eigenes Tor drosch; Marian Unger klärte zwar noch, war aber machtlos, als erneut Mayer aus Nahdistanz zum 2:2 und seinem zwölften Saisontor abstaubte (67.). Und es kam zunächst noch dicker. Marcus Hoffmann brachte im linken Strafraum Schittenhelm zu Fall („Da habe ich mich zu ungeschickt angestellt.“), und Schnatterer verwandelte den Elfmeter sicher zum 2:3 (74.). Wieder jubelten die Gäste – doch nicht lange. Einen Müller-Freistoß von halbrechts nämlich köpfte Joan Oumari mit unbeabsichtigter Hilfe von Florian Krebs zum 3:3 in Heidenheims Kasten (75.), und der kurz zuvor erst eingewechselte Dominik Stroh-Engel setzte den Schlusspunkt, als er nach toller Vorarbeit Nicolas Hebischs dessen Flanke von rechts über die Torlinie zum Sieg bugsierte (89.). Das Karl-Liebknecht-Stadion stand Kopf, Kicker und Fans feierten diesen Befreiungsschlag mit erstmals vier Toren in einer Drittliga-Partie.
„Dass wir das Spiel nach dem zweiten Rückstand noch mal drehten, zeigt: Diese Mannschaft hat Charakter“, lobte Demuth, der seiner Elf bis Montag trainingsfrei gab. „Babelsberg hat gekämpft bis zum Ende“, sagte auch sein Kollege Frank Schmidt. „Ich war stinksauer, zuletzt auf der Bank zu sitzen“, gestand Dominik Stroh-Engel. „Aber mit dem Sieg heute haben die Mannschaft und auch ich persönlich ein Zeichen gesetzt und neue Kraft für das nächste Spiel bei Dynamo Dresden geschöpft.“ Und auch Tom Schütz erklärte: „Jeder hat damit gerechnet, dass wir heute abgeschossen werden. Aber wir leben noch. Jeder kämpfte heute für jeden und wir haben gesehen, was wir damit erreichen können. Solche Spiele wie heute vergisst man nicht so schnell."
Babelsberg: Unger; Hoffmann (74. Stroh- Engel), Surma, Oumari; Evers, Civa, Schütz, Paul (68. Rudolph); Müller; Koc, Kocer (66. Hebisch).
Heidenheim: Sabanov; Sirigu, Krebs, Aupperle (60. Essig), Feistle; Schittenhelm, Weil; Bagceci (46. Glockner), Schnatterer; Spann (79. Jarosch), Mayer.
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