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Landeshauptstadt: Spiel mit Psychologie

Im Hotel Mercure trafen sich Spieler aus ganz Deutschland, um seriös zu pokern

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Im Wilden Westen endete dieses Spiel stets tödlich. Der Verlierer lag reglos am Boden, der Schurke stand mit noch gezückter Waffe am umgefallenen Tisch und ließ die manipulierten Karten unbemerkt verschwinden. Das Poker-Spiel zeigte auf dramatische Weise, wie niederträchtig Menschen sein können , wenn es darum geht, andere zu betrügen. Schäbige Saloons, leichte Mädchen, Whiskey aus Wassergläsern und der blaue Dunst von Zigarren – das bestimmte bisher das Image dieses Kartenspiels.

Von all dem ist während des Pokerturniers am Sonntag im Hotel Mercure nichts zu spüren. Die Teilnehmer kommen in normaler Straßenkleidung, natürlich ohne Revolver, Alkohol wird nicht getrunken, rauchen darf man nur auf dem Flur. „Aus Freude am seriösen Spiel“, lautet das Motto der „German Poker Player Association“ (GPPA). Das Interesse am Poker, besonders bei jungen Männern von Anfang 20 bis Ende 30, scheint groß zu sein. Um die zehn Spieler sitzen jeweils an fünf ovalen Spieltischen, dahinter wartet noch ein gutes Dutzend auf den Start der nächsten Runde. „Seriös ist es, weil hier kein Geld über den Tisch geht, hier kann man nicht mehr verlieren als das Startgeld“, erklärt Horst Koch, Geschäftsführer der Deutschen Poker Liga GmbH, Inhaber der GPPA und Deutscher Poker Champion von 1995. „Ab jetzt geht es richtig los“, freut sich Koch, der braun gebrannt in einem dunklen Nadelstreifenanzug steckt. Seit einem halben Jahr könne die GPPA 100 000 neue Mitglieder verzeichnen. Poker sei so populär wie noch nie. Es wird im Sport-TV gezeigt und erhält ständig neue Fans über das Internet. Bis zu 7000 Spieler sollen zu Stoßzeiten an den virtuellen Tischen von „Everest Poker“ sitzen. Das in Kanada ansässige Unternehmen gilt als der größte Online-Anbieter für die Spielvariante „Texas Hold’em“, die auch an den Tischen im Mercure gespielt wird.

Bei den Städteturnieren zahlen die Teilnehmer für die erste Runde einen, für jede weitere Runde 25 Euro Startgeld. Je nach Teilnehmerzahl muss man in bis zu 15 Runden als Sieger vom Tisch gehen, um sich für das Europafinale im spanischen Casino de Barcelona zu qualifizieren. Der 20-jährige Michael Lindemeyer aus Greifswald fand über das Internet zum Pokern. „Ich spielte früher Skat, aber das hat sich mit der Zeit ausgereizt“, erzählt der BWL-Student und beschreibt das Reizvolle am Pokern: „Das Spiel hat eine mathematische Grundlage und viel mit Psychologie zu tun.“ Ob jemand „blufft“, also nur so tut, als ob er gute Karten hat, finden erfahrene Spieler schnell raus, meint Lindemeyer. Schon während der ersten Begegnung am Tisch würden Profis auf Körperreaktionen der Mitspieler achten, von denen man auf die Stärke des Blattes schließen könnte. Manche zucken, zittern, andere sind betont ruhig. Sonnenbrillen, die einige Spieler im Mercure tragen, würden da wenig täuschen, meint Lindemeyer. „Der beste Bluff ist kein Bluff, sondern ein gutes, solides aufmerksames Spiel“, rät das Magazin der GPPA. Karsten Sawalski

Karsten Sawalski

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