Aus dem GERICHTSSAAL: Spielzeug oder gefährliche Waffe? Sachverständiger muss
sein Urteil abgeben
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Aus dem GERICHTSSAALsein Urteil abgeben Schon den ganzen Tag habe sie sich über die Knallerei aus dem gegenüberliegenden Fenster geärgert, berichtet Silvana S.* (27) im Zeugenstand. Als sie dann am Spätnachmittag dieses 10. Oktober 2004 den Müll rausbrachte, hätte sie den Schützen deutlich sehen können. „Erst kam sein Kopf raus, später ein Gewehrlauf oder etwas ähnliches. Es krachte. Dann zog er Kopf und Gewehr zurück. Kurz darauf ging es wieder von vorne los“, so die Schlaatz-Bewohnerin. „War es der Angeklagte?“, fragt Amtsrichter Francois Eckardt. Die Frau nickt. „Eindeutig. Ich kenne ihn ja.“ Ob er gezielt geschossen habe, könne sie nicht sagen. Aber eine zufällig vorbeifahrende Radlerin habe sich plötzlich an den Hals gegriffen, sei beinahe von ihrem Veloziped gestürzt. Und einige in der Nähe geparkte Autos hätten danach kleinere Lackschäden aufgewiesen. „Ich habe überhaupt nicht aus dem Fenster geballert“, beteuert Marcel M.* (22) auf der Anklagebank. „Okay, ich habe in meinem Zimmer geschossen, aber nicht mit Diabolos, sondern mit Federbolzen auf eine Dartscheibe. Auf Menschen würde ich sowieso nicht zielen. Ich weiß doch, dass das gefährlich ist“, zeigt sich der Arbeitslose einsichtig. Dann äußert er einen Verdacht: „Am Auto eines gewissen Herrn waren seit einiger Zeit Beschädigungen. Ich vermute mal, die will er mir jetzt unterjubeln, damit er billig davonkommt.“ Leider blieb der „gewisse Herr“ der Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung fern. Doch seine Aussage wäre sehr wichtig. Das Gericht brummt ihm ein Ordnungsgeld von 100 Euro auf. Silvana S. meldet sich noch einmal zu Wort: „Obwohl ich Angst habe, dass Marcel mich jetzt wieder bedroht, wie er das schön öfter gemacht hat, bleibe ich bei meiner Aussage.“ Der Vorsitzende warnt den vermeintlichen Schützen eindringlich vor Repressalien gegenüber der Zeugin, droht ihm sogar mit Haft und setzt das Verfahren aus. Ein Sachverständigengutachten solle klären, ob die freiverkäufliche Waffe geeignet sei, Verletzungen herbeizuführen und wenn ja, in welcher Schwere. Käme der Experte zu der Ansicht, bei dem Luftgewehr handelt es sich um ein besseres Spielzeug, könnte der ursprünglich wegen gefährlicher Körperverletzung Angeklagte straffrei ausgehen. Ist die Waffe doch nicht so „ohne“ und stützen weitere Zeugenaussagen die Beobachtungen von Silvana S., droht Marcel M. im schlimmsten Fall eine Mindestfreiheitsstrafe von sechs Monaten. (*Namen geändert.) Hoga
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