
© dpa
Homepage: Sport ist doch kein Mord
Der Sportmediziner Jürgen Scharhag untersucht die Auswirkung von Dauerbelastungen bei Sportlern
Stand:
Wenn Gerald Asamoah über den Fußballrasen sprintet, steht am Rande des Spielfeldes ein Defibrillator. Das Gerät erzeugt gezielte Stromstöße, mit denen Herzrhythmusstörungen oder Kammerflimmern beseitigt werden können. Nicht nur der FC St. Pauli, bei dem Asamoah derzeit spielt, verfolgt gespannt die Spielzüge des Fußballstars. Auch der Sportmediziner Jürgen Scharhag von der Hochschulambulanz der Universität Potsdam interessiert sich für das Schicksal des Spitzensportlers. „Wir suchen die Stecknadel im Heuhafen“, sagt der stellvertretender Direktor der Ambulanz. Asamoah ist für Scharhag eine solche Stecknadel. Denn der Fußballprofi hat einen Herzfehler, der rechtzeitig erkannt wurde.
Für seine Habilitation über die Ausdauerbelastung von Sportlern erhielt der 43-jährige Scharhag den „Wissenschaftspreis des Deutschen Olympischen Sportbundes“. Mit seiner Forschungsarbeit hatte der Mediziner für einiges Aufsehen gesorgt. Er hatte bestätigt, was Mediziner schon einige Zeit zuvor vermutet hatten. Das Sportlerherz ist zwar anders als andere Herzen, aber krankhaft ist es nicht. Erhöhte Werte des Markers Troponin, die sich nach Dauerlauf und Rennradeln im Blut von Sportlern feststellen lassen, deuten nicht auf eine erhöhte Herzinfarktgefahr hin. Das aber hatten Mediziner vermutet, nachdem sie im Blut von Sportlern erhöhte Werte des Eiweißmoleküls Troponin nach extremen Belastungen nachgewiesen hatten. Troponin ist Bestandteil der Herzmuskelfasern und sorgt mit dafür, dass sich das Herz zusammen zieht. Weil auch bei einem Herzinfarkt erhöhte Troponinwerte auftreten, hatten Wissenschaftler zunächst auf eine Gefährdung auch durch den Sport geschlossen.
Scharhag untersuchte nun 105 Marathon- und Ultramarathonläufer und wies dabei nach, dass die beobachteten Werte auch schnell wieder abgebaut werden. Daher gäbe es die Vermutung, dass es sich bei der Veränderung der Werte um Anpassungsprozesse handele. Die Wissenschaftler nehmen an, dass bei einer Ausdauerbelastung oder im Wettkampf die Zellwände der Herzmuskelzellen für das Troponin durchlässiger werden. Entsprechende Anpassungsprozesse des „Sportlerherzens“ seien schon lange bekannt, erklärt Scharhag. Bei entsprechendem Training vergrößere sich auch die rechte und die linke Herzkammer harmonisch, dadurch könne mehr Blut gepumpt werden als üblich und es sei für eine maximale Sauerstoffaufnahme des Körpers gesorgt.
Auch ein kräftiges Herz kann aber angeborene oder erworbene Defekte haben. Auf solche Defekte hin untersucht Scharhag gegenwärtig Sportler am Zentrum für Sportmedizin der Universität Potsdam. Denn Schädigungen können für Leistungssportler wie auch für Hobbysportler eine Gefahr darstellen. So kollabierte 2008 der Kanadier Danny Kassap beim Berliner Stadtmarathon. Nachdem der Spitzensportler zwei Wochen im Koma gelegen hatte, konnte er gerettet werden. Der Grund für seinen Zusammenbruch war ein Herzkammerflimmern, das aus einer nicht auskurierten Virusinfektion herrührte. Gendefekte und Herzerkrankungen sind häufig die Ursachen, wenn sich während einer sportlichen Extremanstrengung Probleme zeigen. Bis zu 40 solcher angeborenen oder erworbenen Defekte sind mittlerweile bekannt. Ziel der Untersuchungen von Scharhag in Potsdam ist es daher, bei den untersuchten Bundeskaderathleten Erkrankungen festzustellen, bevor sie zu einer Gefährdung führen.
Nicht von jedem Leistungsknick kann allerdings gleich auf eine Erkrankung geschlossen werden. „Wenn der Sportler Liebeskummer hat, wirkt sich das ja möglicherweise auch auf seine Leistung aus“, sagt Scharhag. Zusammenhänge zwischen Psyche und physischer Befindlichkeit seien allerdings nicht sein Forschungsgebiet. „Ich versuche heraus zu finden, welche organischen Erkrankungen die Sportler haben“, so Scharhag.
Hierzu stehen am sportmedizinischen Zentrum der Universität herkömmliche wie auch allerneueste Geräte bereit. Während der ärztliche Leiter der Hochschulambulanz, der Orthopäde Frank Meyer, Fußstellung, Knochengerüst und Bewegungsapparat unter anderem mit Sprungtests oder 3-D-Kamerasystemen untersucht, kann Scharhag auf ein so genanntes „3-D-Speckle Tracking“ Ultraschallgerät zugreifen. Untersucht er damit ein Herz, so werden abgestorbene oder krankhafte Zonen des Herzmuskels dreidimensional farbig auf dem Bildschirm dargestellt. Für seine Forschungsarbeit eine große Hilfe: „Die Genauigkeit der Darstellung bringt uns einen Schritt weiter“, erklärt der Sportmediziner.
Richard Rabensaat
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: