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Beamtendeutsch: „Sprache ist oft ein Machtinstrument“
Der Potsdamer Lothar Wiegand über seine Seminare, mit denen er Beamten das Amtsdeutsch auszutreiben versucht, die vier goldenen Regeln für verständliches Formulieren und gruselige Behördenschreiben
Stand:
Herr Wiegand, Sie machen seit fast 20 Jahren Pressearbeit für Behörden. Seit vier Jahren geben Sie Kurse für verständliches Schreiben. Haben Sie das Amtsdeutsch irgendwann einfach nicht mehr ausgehalten?
Es war eher so, dass mir im Laufe meines Arbeitslebens klar wurde, dass man eigentlich nur wenige Regeln braucht, um verständlich zu schreiben. Ich hatte Lust, dieses Wissen weiterzutragen und habe mich für Seminare angeboten. Damit habe ich offene Türen eingerannt.
Welche Regeln sind das denn?
Eigentlich muss man nur vier Dinge beachten: Aktiv formulieren, Substantive vermeiden, kurze Sätze formulieren sowie Fremdwörter und Jargon weglassen. In der Fachliteratur zu dem Thema werden den Menschen zig Regeln vorgeschrieben, das schreckt eher ab.
Wo halten Sie denn die Seminare?
An der Landesakademie für Öffentliche Verwaltung in Königs Wusterhausen gebe ich ein zweitägiges Seminar mit dem Titel „Verständlich Formulieren- Amtsdeutsch vermeiden“ für Landesbedienstete, das auch sehr gut angenommen wird. Zusätzlich halte ich noch Seminare an der Brandenburgischen Kommunalakademie.
Als Pressesprecher werden Ihnen ja täglich Texte von Ministeriums-Mitarbeitern vorgelegt. Wirken die Schulungen denn schon?
Das ist natürlich ein weiter Weg. In der Verwaltung arbeiten viele Juristen, bei uns im Infrastrukturministerium sind auch viele Ingenieure und Planer dabei. Deren Sprache ist nun mal sperrig, das ändert sich nicht von heute auf morgen. Aber nur weil es schwierig ist, kann man es ja nicht einfach ganz lassen. Die Verwaltung ist ja heutzutage ein Dienstleister, sogar in der Geschäftsordnung des Landes ist festgelegt, dass die Behörden verständlich mit dem Bürger kommunizieren sollen. In der Ausbildung lernen das die jungen Verwaltungsmitarbeiter auch, aber in den Behörden wird ihnen die verständliche Sprache dann schnell wieder abgewöhnt.
Warum ist das so?
Manche denken, komplizierte Formulierungen seien ein Zeichen fachlicher Expertise. Jede Zunft hat ja ihre Fachsprache, Mediziner ja zum Beispiel auch. Sprache ist oft ein Machtinstrument. Dabei müssen sich die Behörden in Deutschland gar nicht hinter unverständlichen Worthülsen verstecken, schließlich ist unsere Verwaltung eine der effizientesten und besten der Welt: Der Müll wird regelmäßig abgeholt, wer jemanden verklagen will, muss nicht 15 Jahre auf einen Prozess warten und wer ein Haus bauen möchte, muss hier niemanden bestechen. Wir können uns mutig einer bürgernahen Sprache bedienen.
Wie läuft denn so ein Seminar bei Ihnen ab?
Ich suche davor ein paar gruselige Texte heraus, zum Beispiel Behördenschreiben, amtliche Bekanntmachungen oder Grußworte. Dann analysieren wir diese und versuchen, sie umzuschreiben und verständlich zu machen. Es geht vor allem um die Übung. Verständlich schreiben ist nicht schwer, aber man muss es trainieren.
Haben Sie ein paar Beispiele, die immer wieder in derart „gruseligen“ Texten vorkommen?
Ein Klassiker ist die „Durchführung von Maßnahmen“. Diese beiden Wörter kann man eigentlich immer streichen, bei uns in der Pressestelle sind sie verboten. Den Satz „Ab Montag werden Baumaßnahmen an der Straße XY durchgeführt“ kann man auch einfach ersetzen durch „Am Montag fangen wir an, die Straße XY zu bauen“. Was auch immer wieder vorkommt sind Reihen von Substantiven wie „Antrag zur Vorlage der Abgabe mit der Bitte um Übernahme“. Auch Dinge wie „fernmündliche Rücksprache“, „zu gegebener Zeit“ oder „zur gefälligen Kenntnisnahme“ sind immer wieder zu lesen. Auch Gesetze haben oft merkwürdige Namen. Ich sag nur eins: Bundesverkehrsplanungsbeschleunigungsgesetz.
Die Fragen stellte Katharina Wiechers
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