Landeshauptstadt: Spritzenstube Wohngebiet
Chill Out: Mehr Drogenabhängige, wenig Maßnahmen
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Chill Out: Mehr Drogenabhängige, wenig Maßnahmen Potsdam soll eine Analyse der Drogenproblematik in der Stadt durchführen. Vor allem zur Droge Heroin gebe es keine statistisch erfassten Größen, kritisierte gestern Frank Prinz-Schubert. Der Sozialarbeiter und Suchtexperte vom Chill Out e.V. verwies am gestrigen bundesweiten Gedenktag für verstorbene DrogengebraucherInnen darauf, dass es „ohne Zahlen natürlich auch keinen Bedarf gibt“. Das Thema werde von der Stadtverwaltung nicht mit der angebrachten Ernsthaftigkeit behandelt. Jährlich sterben fünf bis sieben Brandenburger an einer Überdosis, deutschlandweit gab es 2004 1385 Drogentote. Laut Prinz-Schubert stamme der letzte städtische Lagebericht aus dem Jahr 2001, der jedoch nicht die Droge Heroin enthielt – die Schlüsseldroge, deren Anzahl an Konsumenten in Potsdam auf „eine kleine dreistellige Zahl“ geschätzt wird. Vor allem in den Wohngebieten steige die Anzahl der Heroin-Abhängigen. Kleine Netzwerke entstehen, so Suchtberater Prinz-Schubert. Potsdam profitiere aber von der Nähe zu Berlin. Dort würden sich die Abhängigen hinwenden, um sich zu versorgen oder von in Potsdam nicht mehr existierenden Drogennotdiensten helfen zu lassen. Vor anderthalb Jahren kürzte die Stadt die Mittel für die Drogenberatung und Präventionsarbeit, auch die Mittel für den Chill Out e.V. wurden geringer: „Seitdem haben wir den Kontakt in die Szene verloren“, sagte Prinz-Schubert. Bei der jetzigen Beratungsstelle der Arbeiterwohlfahrt gebe es erhebliche Wartezeiten. Für Suchtkranke sei ein Monat eine Ewigkeit, das könne sogar tödlich sein. Die Politik spiele in diesem Zusammenhang eine wesentliche Rolle. Prinz-Schubert führte an, dass die Zahl der Drogentoten in Deutschland durch eine leicht liberalisierte Drogenpolitik seit fünf Jahren stetig gesunken ist. Nun fürchtet er bei einem Regierungswechsel Sofortmaßnahmen der CDU. Doch nicht nur bundesweit wünscht er sich mehr Aufmerksamkeit für die Problematik. Auch von Bündnis 90/Die Grünen und einem Teil der SPD in Potsdam, deren bundespolitischen Mitstreiter sich seit Jahren für eine Liberalisierung des Systems einsetzten, würde in der Stadt zu wenig oder nichts gegen das Problem unternommen. „Wenn wir über die Legalisierung der Drogen sprechen, gucken die Grünen uns an, als kämen wir von einem anderen Planeten“, so Prinz-Schubert. Am gestrigen Gedenktag ging er deshalb gemeinsam mit Vertretern der Aids- Hilfe Potsdam und der Fraktion Die Andere in die Öffentlichkeit und sammelte Unterschriften für eine kontrollierte Heroin-Abgabe an Abhängige sowie die Legalisierung von Drogen. Vor allem letzteres würde die Abhängigen aus der Kriminalitätsstatistik bringen und Dealerringe sprengen. Erstmals fand die Aktion in diesem Rahmen in Potsdam statt. Die gesammelten Unterschriften sollen nun an den Bundesverband der Eltern und Angehörigen für akzeptierende Drogenarbeit e.V. in Wuppertal und später an die Bundesregierung übergeben werden.J. Brunzlow
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