Ausgesprochen KAPUSTE: Spurensuche
Zwischen Bornim, Bornstedt und Eiche liegen das Katharinenholz und die Düsteren Teiche, ein bei Spaziergängern, Joggern, Hundebesitzern und Mountainbike-Fahrern beliebtes Naherholungsgebiet. Lange wurde es vom Militär geprägt.
Stand:
Zwischen Bornim, Bornstedt und Eiche liegen das Katharinenholz und die Düsteren Teiche, ein bei Spaziergängern, Joggern, Hundebesitzern und Mountainbike-Fahrern beliebtes Naherholungsgebiet. Lange wurde es vom Militär geprägt. Das hat Spuren hinterlassen. Sehr sichtbare, wie die bereits zu Kaisers Zeiten gebauten und bis nach dem Zweiten Weltkrieg genutzten Schießstände. Langgestreckte, mittlerweile überwucherte Erdwälle, mal mit, mal ohne gemauerte, von Einschlägen wüst übersäten Geschoßfängen.
Nur noch zu erahnen dagegen ist das nach der Wende aufgegebene Munitionslager der NVA entlang der Lindstedter Chaussee. Es dauerte Jahre, bis das verwahrloste Gelände mitsamt seiner niedergerissenen Umzäunung aus verrostetem Stacheldraht und den Isolatoren für die elektrisch geladenen Drähte eingeebnet wurde. Stacheldraht und elektrischer Zaun, da war doch was! Ach ja, die Konzentrationslager! Ich frage mich, ob eine derartige Assoziation jemals in die Hirne der hierfür Verantwortlichen gelangt ist, zumal sie viele Lager auf diese Weise bestückt haben. Vermutlich nicht. Es diente ja dem Weltfrieden. Sichtbar, aber selten wahrgenommen, sind die Wege, auf denen die Wachsoldaten Streife gingen. Sie sind an den Bäumen zu erkennen, in deren Rinden die Männer ihre Botschaften eingeritzt haben. Buchstaben, einzeln oder wirr durcheinander, Jahreszahlen wie 20.1.1961, 2.5.68, dazu die noch abzudienenden Tage mit oder ohne Zusatz wie 259, 245 Tg oder 412 Tage, des Weiteren Herzen mit und ohne Pfeil, Kreuze, Namen wie Küster oder Günther. Einmal ein Satz: „Bei der VP ist es beschissen“, auch mal ein weiblicher Akt und ein vom Westimperialismus beeinflusstes „I love you“. Je weiter die Zeit zurückliegt, desto breiter und unleserlicher werden die kargen Botschaften. Es dominieren die Entlassungskandidaten, die Soldaten im letzten Diensthalbjahr mit ihren mit EK gekennzeichneten Restdiensttagen: EK 79, EK 80, EK 43, EK 35. Das waren die Soldaten, die einen Sonderstatus beanspruchten und oft nicht vor Schikanen gegenüber jüngeren Soldaten zurückschreckten. Um das zu wissen, muss man nicht unbedingt Tellkamps „Der Turm“ gelesen haben. Sicher waren diese Aggressionen auch ein Ventil gegen die Monotonie der ständigen Gefechtsbereitschaft, angeordnet von einer Generalität, die sich einen Kriegsausbruch zwischen den bis an die Zähne mit Interkontinentalraketen und Nuklearwaffen jeden Kalibers bewaffneten Militärblöcken Nato und Warschauer Pakt wie der kleine Moritz vorstellte.
Bald wird alles Militärische im Katharinenholz verschwunden sein. Die Natur erobert sich die zerbröselnden Schießstände zurück, das Munitionslager ist bereits vergessen und die eingeritzten Bäume werden verschwinden, was irgendwie schade ist.
Unser Autor ist ehemaliger Stadtverordneter der CDU und war Vorsitzender des Ausschusses für Kultur. Er lebt in Eiche.
Eberhard Kapuste
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: