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Landeshauptstadt: „St. Jakobs Krankenhaus“

Hauptausschuss fasste Grundsatzbeschluss / Stadtverordnetenvotum am 1. Oktober

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Hauptausschuss fasste Grundsatzbeschluss / Stadtverordnetenvotum am 1. Oktober Von Detlef Gottschling Schwangerschaftsabbruch – das war das Hauptthema, als es am Mittwochabend um die geplante Fusion des Klinikums Ernst von Bergmann und des St. Josefs-Krankenhauses ging. Zwar hatte Andreas Ernst von der städtischen Beteiligungsverwaltung einleitend erläutert, was man erreichen wolle, doch die Nachfragen häuften sich. Das qualitativ hohe Niveau der Krankenhäuser wolle man für die Patienten sichern, so Ernst. Und mit dem vorhandenen Leistungsangebot wolle man auch gegenüber den Krankenkassen Stärke beweisen. Nicht zu vergessen seien die in Aussicht gestellten insgesamt 90 Millionen Euro des Landes für Investitionen und die Sicherung der Arbeitsplätze in beiden Häusern. Im Hinblick auf die Gesundheitsreform sei zudem die Schrumpfung auf nur einen Standort genau das richtige Rezept. Oberbürgermeister Jann Jakobs warnte in dem Zusammenhang vor Dutzenden drohenden Klinikschließungen deutschlandweit. Nun habe man fünf Varianten für die Fusion ins Auge gefasst: Die Verschmelzung beider Krankenhäuser, die Angliederung des katholischen an das städtische Krankenhaus, die Eingliederung der Geschäftsanteile von St. Josefs in das Bergmann-Haus, die Bildung einer Holding oder eine gemeinsame Tochtergesellschaft für das neue Konstrukt. Beteiligungsverwalter Andreas Ernst sagte, die zweite Variante – die Angliederung – sei die favorisierte. So falle keine Grunderwerbssteuer an, das Innenministerium und auch das Bundeskartellamt hätten keine Bedenken. Zusätzlich habe man sich vorgenommen, nach der Fusion keine Verschlechterung des Leistungsangebotes zuzulassen, keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen, Tarife einzuhalten, und Konfessionslosen gleiche Chancen einzuräumen wie kirchlich Gebundenen. Letzteres war das Stichwort für Hans-Jürgen Scharfenberg von der PDS, der sofort monierte, dass Selbstverständlichkeiten nicht extra festgelegt werden müssten. Viel wichtiger sei ein klares Bekenntnis zu Schwangerschaftsabbrüchen. Damit war der Ball ins Rollen gebracht: Brigitte Reiß von der SPD fragte gleich beim anwesenden Fachmann, beim St.-Josefs-Geschäftsführer Reinhard Nieper, nach, ob nicht einmal Notfälle in Frage kämen. Einen Schwangerschaftsabbruch gebe es im katholischen Krankenhaus nur, „wenn das Leben der Mutter in Gefahr“ sei. Keinerlei medizinische Indikation könne berücksichtigt werden, auch keine persönliche Familienplanung. Und dies treffe dann für das gesamte neue Haus zu. Ohne Einschränkung. Und er ging noch weiter: „Das Ernst von Bergmann-Klinikum ist schon heute nicht notwendig für Schwangerschaftsabbrüche“, sagte Nieper und führte zum Beweis „nur“ rund 50 stationäre dortige Behandlungen bisher in diesem Jahr an. Die Vorsitzende der Stadtverordneten, Birgit Müller, sprach es aus: „Es droht Zweiklassenmedizin. Die, die es sich leisten können, lassen sich in Privatkliniken in Potsdam behandeln. Die anderen müssen dann nach Berlin fahren.“ Dem widersprach Jann Jakobs und erinnerte daran, dass der Schwangerschaftsabbruch in Zukunft sowieso nur noch ambulant von den Kassen getragen werde. Stationäre Behandlung würde ohnehin zur Privatsache. Und trete nach dem Eingriff ein Notfall ein, so griff Sozialbeigeordnete Elona Müller ein, stehe der Aufnahme im neuen Klinikum nichts im Wege. Der Abbruch selbst sei ja dort nicht erfolgt. Jakobs versuchte zu beschwichtigen: „Es wird in Potsdam die Möglichkeit für die stationäre Variante geben.“ Den drängenden Fragen nach dem Wo wich er aus: „Dazu sind noch Gespräche zu führen.“ Die Mehrheit der Abgeordneten hob dann doch die Hände zu einem Änderungsantrag der SPD: Die Stadt Potsdam bleibt auch nach der Fusion Mehrheitsgesellschafter. Für die Beschäftigten gilt das bisherige Arbeits- und Tarifrecht, insbesondere das Betriebsverfassungsgesetz. Die bisherigen Versorgungsleistungen beider fusionierter Einrichtungen bleiben erhalten. Die Möglichkeit, ambulante und stationäre Schwangerschaftsabbrüche in Potsdam – wohlgemerkt: nicht im Klinikum – vornehmen zu lassen, wird sicher gestellt. Das Vorschlagsrecht für die Bestellung des ersten Geschäftsführers des Gemeinschaftskrankenhauses liegt bei der St. Josefs GmbH. Die Stadt als Mehrheitsgesellschafter hat das Recht, den Personalvorschlag bei Zweifeln an der fachlichen Eignung zurückzuweisen. Der neue Geschäftsführer wird für fünf Jahre bestellt. Und laut Gesellschaftervertrag ist ein Aufsichtsrat vorgesehen, in dem die Stadt Potsdam als Mehrheitsgesellschafterin angemessen und die Belegschaft entsprechend dem Betriebsverfassungsgesetz vertreten ist. Somit soll der Oberbürgermeister nun vom Grundsatz her beauftragt werden, alle Maßnahmen für die Fusion vorzubereiten. Der entsprechende Beschluss der Stadtverordnetenversammlung dazu könnte in deren letzten Sitzung vor den Kommunalwahlen am 1. Oktober gefasst werden. Von Eberhard Kapuste auf der CDU-Bank kam kurz vor der Abstimmung noch der Versprecher vom „St. Jakobs Krankenhaus“ – aber vielleicht sollten sich die Potsdamer schon einmal an den neuen Spitznamen gewöhnen. Die komplette Privatisierung, wie von Oberbürgermeister Jakobs nicht ausgeschlossen, scheint zunächst vom Tisch

Detlef Gottschling

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