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Landeshauptstadt: Staatsanwalt: Doppelter Angriff war versuchter Mord

Prozessbeginn gegen sechs Rechtsgerichtete, die zwei Mitglieder aus der Antifa-Szene erheblich verletzt haben sollen

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Das Szenario wirkte bedrohlich. Etwa 40 Neonazis machten sich gestern im Eingang des Potsdamer Landgerichts breit, um zu Beginn des Prozesses gegen sechs mutmaßlich äußerst gewalttätige „Kameraden“ eine milieutypische Kulisse zu bilden. Schon vor dem Gebäude wurden Polizeibeamte und Journalisten für spätere Steckbrief-Aktionen der Rechten fotografiert. Die Polizei, darunter szenekundige Beamte der Berliner Spezialeinheit PMS (Politisch Motivierte Straßengewalt), konnte nur mit massiver Präsenz die Rechtsextremisten einigermaßen in Schach halten.

Mit Verspätung startete dann im viel zu kleinen Saal 15 der Prozess – auch hier war die Stimmung gereizt. Den zum überwiegenden Teil aus Potsdam stammenden Angeklagten im Alter zwischen 32 und 22 Jahren wird gemeinschaftlicher versuchter Mord aus niederen Beweggründen zur Last gelegt. Laut Staatsanwalt Peter Petersen fuhr das Sextett – gemeinsam mit acht Mittätern – in der Nacht des 3. Juli dieses Jahres mit einer Straßenbahn der Linie 92 Richtung Hauptbahnhof. In der Friedrich-Ebert-Straße entdeckten sie den „aktiven Linken“ Tamás B. und entschlossen sich spontan, ihn wegen seiner politischen Gesinnung anzugreifen. „Einem gemeinsamen Tatentschluss folgend betätigte Oliver K. die Notbremse, während sich die anderen Angeschuldigten vermummten und mit robusten Handschuhen bekleideten“, heißt es in der Anklage. Nachdem die Rechten die Bahn zügig verlassen hatten, stellten sie sich kreisförmig um Tamás B. und seinen Begleiter Christoph B., um sie an der Flucht zu hindern. Einer der Täter versetzte dem für die Öffentlichkeitsarbeit der Antifa an der Universität Potsdam zuständigen Tamás B. (25) mit einer halb gefüllten Bierflasche von hinten einen heftigen Schlag auf den Kopf, wodurch er zusammenbrach. „Nunmehr traten alle auf das wehrlos am Boden liegende Opfer ein, wobei der Angeschuldigte Oliver O. derart wuchtig in das Gesicht des Opfers trat, dass dessen Kopf hin- und hergeschleudert wurde“, so Petersen.

Die Rechtsextremisten attackierten dann, so die Anklage, Christoph B. mit Fausthieben und Tritten. Aus der Gruppe heraus sollen dem Opfer mindestens zwei Bierflaschen so kräftig ins Gesicht geschlagen worden sein, dass sie zerbrachen. Außerdem sei Christoph B. mit einer der abgebrochenen Flaschen ein Stoß in den Kopf nahe dem Hals versetzt worden. Christoph B., auch regungslos auf dem Boden liegend, erlitt mehrere Schnittwunden im Gesicht.

Die Attacke gilt als Racheakt für den Angriff von fünf Linken auf zwei rechte Jugendliche vor dem Café Heider drei Wochen zuvor. Für den Prozess gegen die sechs Angeklagten, die durch die Videoüberwachung der Straßenbahn identifiziert wurden, sind bislang 17 Verhandlungstage angesetzt. Zum gestrigen Auftakt wurde lediglich die Anklageschrift verlesen. Zugleich appellierte Kammervorsitzender Dr. Frank Tiemann an die Angeklagten, ein umfassendes Geständnis abzulegen, was strafmildernd zu Buche schlagen könne. Die Verteidigung forderte neben weiteren Anträgen, das Verfahren in ein anderes Bundesland zu verlegen, da es in Brandenburg eine Vorverurteilung durch die Öffentlichkeit gebe.

Die Staatsanwaltschaft wertet den doppelten Angriff als versuchten Mord. Die aus der Untersuchungshaft vorgeführten Angeklagten Oliver O., Michael G., Marcus Sch., Daniel K., Oliver K. und Marcell Sch., zwischen 22 und 32 Jahren alt, werden sich erst im neuen Jahr äußern. Am 4. Januar beginnt auch der Prozess gegen fünf weitere mutmaßliche Mittäter.

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