zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Staatsanwalt: Motiv war Fremdenhass

Beschleunigtes Verfahren /Ausländische Offiziere in der Straßenbahn beleidigt und getreten

Stand:

Beschleunigtes Verfahren /Ausländische Offiziere in der Straßenbahn beleidigt und getreten AUS DEM GERICHTSSAAL Von Gabriele Hohenstein Torsten M. ist mit seinen 35 Jahren beinahe doppelt so alt wie die beiden Jugendlichen, mit denen er durch die Lande zieht. Am 12. Juli 2003 – dem Tag der Loveparade – hatte der Arbeitslose mit den Zwanzigjährigen in Berlin gehörig Bier getrunken. Zurück in Potsdam, stieg das Trio am Hauptbahnhof in eine Straßenbahn der Linie 96. Unter den Fahrgästen waren auch drei Offiziere ausländischer Streitkräfte in Zivil, die sich derzeit in der Bundesrepublik aufhalten. Als sich der Holländer, der Kroate und der Rumäne auf Englisch verständigten, an welcher Haltestelle sie aussteigen müssen, brach laut Anklage ein langanhaltender Sturm übelster Beschimpfungen über die Männer herein. Als sie die Bahn am Platz der Einheit verlassen wollten, um die Polizei zu rufen, soll Torsten M. den Holländer kräftig in den Rücken getreten haben. Zudem habe einer der Jugendlichen eine Bierflasche in Richtung der Ausländer geworfen. Jetzt musste sich Torsten M. – vielfach wegen Diebstahls vorbestraft – wegen Beleidigung und Körperverletzung im beschleunigten Verfahren vor dem Amtsgericht verantworten. Seine vermeintlichen Komplizen stehen demnächst vor dem Jugendrichter. Freimütig gibt er zu, vor der Verhandlung zwei Bier getrunken zu haben, um seinen „Flattermann“ zu bekämpfen. „Ich habe ein Alkoholproblem“, räumt der gelernte Holzfacharbeiter ein. Da er wenig Geld besitze, aber oft großen Durst verspüre, würde er eben Bier und Schnaps sowie Zigaretten klauen, um sein zweites Laster zu befriedigen. Gewalttätig sei er allerdings nicht, beteuert der Angeklagte. „Meine Kumpels haben die Ausländer belöffelt. So etwas zu äußern ist unter meiner Würde.“ Der Staatsanwalt wirft ein: „Haben Sie mit 2,8 Promille überhaupt noch eine Würde?“ Er habe sich durch das Verhalten der Betrunkenen bedroht gefühlt, erzählt der Holländer im Zeugenstand. „Man weiß in so einer Situation ja nie, was noch passieren kann“, meint er. Entschuldigt habe sich keiner der Pöbler hinterher. „Aber Innenminister Jörg Schönbohm hat es getan.“ „Der Angeklagte hat meinen holländischen Kollegen derart mit dem Fuß in den Rücken getreten, dass er beinahe die Stufen des Waggons heruntergestürzt wäre“, berichtet Oberstleutnant Miroslaw C. (48). Der Kroate glaubt, die drei Männer wollten sie „körperlich und seelisch angreifen“. Sie hätten sich auch nicht von einem Fahrgast, der schlichtend eingriff, beruhigen lassen. „Glauben Sie immer noch, dass Ihr geklontes Double getreten und gepöbelt hat?“, fragt der Staatsanwalt bissig. Seiner Ansicht nach erfolgte die Attacke in der Straßenbahn aus purem Fremdenhass, der „den Ruf unseres Landes in verheerender Weise in den Dreck zieht“. Die den Offizieren an den Kopf geworfenen Beleidigungen hätten „ein Niveau erreicht, das schwer zu unterbieten“ sei. Der Ankläger beantragt, Torsten M. zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten – ausgesetzt zu dreijähriger Bewährung – zu verurteilen. Das Gericht urteilt ebenso. Zudem muss der Potsdamer 500 Euro an den Weißen Ring zahlen. In die Entscheidung wurde ein weiteres Urteil wegen Diebstahls einbezogen.

Gabriele Hohenstein

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })