Aus dem GERICHTSSAAL: Staatsanwaltschaft: Bereitschaft zur Verfahrenseinstellung
Voraussetzung: Lutz Boede muss Polizistenbeleidigung in der Presse zurücknehmen
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Aus dem GERICHTSSAALVoraussetzung: Lutz Boede muss Polizistenbeleidigung in der Presse zurücknehmen Acht lange Tage verhandelt die zweite Instanz bereits die Berufung Lutz Boedes wegen übler Nachrede. Wer gestern glaubte, die Kammer käme nunmehr zu einer Entscheidung, sah sich getäuscht. Das Amtsgericht brauchte im Vorjahr immerhin zehn Tage und rund 50 Zeugen, um das Mitglied der Fraktion Die Andere zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu verurteilen. Der studierte Jurist fühlte sich zu Unrecht sanktioniert. Die Anklagebehörde befand das Urteil zu mild, legte ebenfalls Rechtsmittel ein. Boede hatte der Polizei vorgeworfen, ihre Kompetenzen am 26. August 2001 bei Ausschreitungen nach einem DFB-Pokalspiel zwischen Anhängern von Babelsberg 03 und Hertha BSC erheblich überschritten zu haben. So sollen die an der anschließenden Räumung des alternativen Wohnprojekts Rudolf-Breitscheid-Straße 6 beteiligten Beamten Zimmer der Bewohner verwüstet, Mobiliar absichtlich beschädigt, einen Plattenspieler zertrümmert, die Jugendlichen als Zecken und Schlampen betitelt haben. Und sie sollen in Polstermöbel sowie hinter den Tresen des Partyraums uriniert, sich zudem an Getränken und Bargeld aus der hauseigenen Kasse bedient haben. Amts- und Landgericht hegten kaum Zweifel an der Übereifrigkeit der Staatsdiener während der Räumung des bunten Hauses im Herzen von Babelsberg. Dafür sprach das während der Verhandlungen mehrfach gezeigte – wenngleich sichtlich geschnittene Polizeivideo – eine allzu deutliche Sprache. Bewohner, die sich nicht wehrten, wurden brutal zu Boden gestoßen, ihre Hände auf dem Rücken gefesselt. Dass die Polizisten das Gebäude bei der Durchsuchung absichtlich verwüsteten, gar die von Lutz Boede angeprangerten Verfehlungen begingen, ist nach Ansicht von Staatsanwaltschaft und Gericht aber durch nichts bewiesen. Am vorletzten Verhandlungstag signalisierte der Oberstaatsanwalt: Falls Boede sich bereit erklären würde, seine Behauptungen zurückzunehmen, könne sich die Anklagebehörde eine vorläufige Einstellung des Verfahrens gemäß Paragraf 153 a, Absatz 2 der Strafprozessordnung vorstellen. Allerdings sollte diese Willenserklärung vor dem gestrigen Verhandlungstag im Wortlaut in den PNN abgedruckt werden. Da die Presse weder Sprachrohr der Staatsanwaltschaft noch der Angeklagten ist, wurde auf eine entsprechende Veröffentlichung im redaktionellen Teil verzichtet. Dies wurde anfangs zu Lasten Boedes gewertet. Nach kontroverser Diskussion sicherte dieser gestern zu, binnen einer Woche eine Anzeige in den PNN aufzugeben, die selbige Willenserklärung zum Inhalt hat. Daraufhin erklärte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft erneut, „er beabsichtige, sich mit einer vorläufigen Einstellung des Verfahrens einverstanden zu erklären, falls die versprochene Erklärung bis zum 16. November im Lokalteil der Zeitung erscheint“. Rechtsanwältin Antje Klamann ließ verlauten, ihr Mandant zeige sich lediglich „aus prozesstaktischen und -ökonomischen Gründen“ mit diesem Deal einverstanden. Da es bei der rechtswidrigen Räumung des Hauses keine Zeugen gab, stehe auch niemand bereit, der Boedes Beobachtungen untermauern könne. Die Verhandlung wird kommenden Dienstag fortgesetzt. Hoga
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