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Landeshauptstadt: Stadt der schönen Treppen

Mit Albrecht Gülzow auf den Spuren des „Treppenpapstes“ Prof. Friedrich Mielke

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Mit Albrecht Gülzow auf den Spuren des „Treppenpapstes“ Prof. Friedrich Mielke Von Erhart Hohenstein Sorgfältig restaurierte Baudenkmale haben Potsdams Innenstadt viel vom Glanz der Barockzeit zurückgegeben. Pastellfarbene Fassaden und Putten auf den Gesimsen werden viel bewundert – doch über die aufwändig wiederhergestellten historischen Treppen und Treppenhäuser spricht kaum jemand. Dafür hat der Stadtplaner Albrecht Gülzow jetzt durch einen Vortrag und einen Innenstadtrundgang der Urania Interesse geweckt. Der Architekt folgte den Spuren von Prof. Friedrich Mielke, seit 1991 Potsdamer Ehrenbürger. Der heute 84-Jährige hatte sich als junger Denkmalpfleger in den 50er Jahren leidenschaftlich für den Erhalt des Stadtschlosses und anderer hochrangiger Baudenkmale eingesetzt. Dieser Kampf endete mit einer Niederlage, und Mielke übersiedelte nach Westberlin. Den Denkmalpfleger interessierten von Anfang an auch Treppen. Abgesehen davon, dass sie für die Nutzbarkeit eines Hauses unerlässlich sind, stellen sie oft Kunstwerke und technisch bemerkenswerte Leistungen dar. Zudem besaß Friedrich Mielke ein besondere Beziehung zum Treppensteigen, war er 1945 doch mit einer Beinverletzung aus dem Krieg zurückgekehrt. Der Denkmalpfleger gründete 1980 eine Arbeitsstelle für Scalalogie (Treppenkunde) mit einem Archiv, in dem inzwischen mehr als 30 000 Treppen(häuser) in ganz Europa dokumentiert sind. Zu seinen Veröffentlichungen zählt folgerichtig ein Buch „Treppen in Potsdam“. 1995 übergab er die auf die Havelstadt und das Land Brandenburg bezogenen scalologischen Dokumentationen als Schenkung an die Stadt- und Landesbibliothek. Darauf können Albrecht Gülzow und seine Kollegen aufbauen, wenn sie die Restaurierung von Baudenkmalen denkmalpflegerisch begleiten. Bei den Arbeiten erhalten weitaus mehr Treppenhäuser ihre alte Schönheit zurück, als man denken sollte. Selbstverständlich ließ Gülzow das Flaggschiff dieser Architekturen nicht aus: das spiralförmig in drei Kuppelräume aufsteigende Haupttreppenhaus des Großen Militärwaisenhauses, das vom im Vorjahr wiederhergestellten Säulentempel bekrönt wird. Die Waisenhausstiftung öffnet dieses 1773/74 entstandene Kleinod des Gontardbaus jetzt jeden Sonnabend von 10 bis 17 Uhr dem Publikum. Gülzows Weg hatte jedoch viele Stationen. Er begann in dem vom späteren König Friedrich Wilhelm II. bewohnten Kabinetthaus am Neuen Markt, dessen prachtvolle Treppe mit einem holzgeschnitzten „Anfänger“ am Aufgang zum Vorbild für die Gestaltung im Marmorpalais und im Schlösschen auf der Pfaueninsel wurde. Nicht weit davon ist die Freitreppe zu bewundern, die der Hofzimmerermeister Johann Georg Brendel vor sein Wohnhaus Am Neuen Markt 2 setzte und mit einem schmiedeisernen Rokokogitter schmückte. Selbst Karl Friedrich Schinkel soll zu Potsdams Treppenschönheiten beigetragen haben. Ob der berühmte Baumeister den Entwurf für die schwungvoll himmelwärts strebende Treppe der 1822/23 errichteten Happe-Röhrichtschen Häuser in der Yorckstraße 3/4 selbst geliefert hat ist ungewiss; unterzeichnet hat er ihn jedenfalls. Albrecht Gülzow sparte beim Rundgang auch schlichte, schnurstracks nach oben führende Treppen nicht aus, wie sie der sparsame Friedrich Wilhelm I. beispielsweise für die Beweibten-Kaserne (für verheiratete Soldaten) an der Ecke Bäcker- und Kleine Gasse vorgab, und ebenso wenig moderne wie die auf der Hofseite des Neubaus Am Neuen Markt 5 (früher Palazzo Thiene) imZickzack zu den mehretagigen Maisonettewohnungen hinaufführenden. An einer der vormals 80 zum teilweise wiederhergestellten Stadtkanal hinunterführenden Treppen würdige Gülzow dann nochmals den Altmeister Friedrich Mielke. Der konnte an den in Jahrhunderten eingeprägten Trittspuren feststellen, wo die Fischer ihre Kähne festmachten, an welcher Seite sie zur Straße hochstiegen und sogar, wo sich die Anwohner hinhockten, um ihre Notdurft zu verrichten. Denn Toiletten gab es in den ersten am Kanal errichteten Häusern noch nicht.

Erhart Hohenstein

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