Landeshauptstadt: Stadt hält an Aktion für Bleiberecht fest Müller: Aufenthaltsrecht für Flüchtlinge ist nicht rechtswidrig / Bericht an Ministerium geschickt
Die Stadt Potsdam hat ihr Vorgehen verteidigt, geduldeten Ausländern ein zunächst bis Ende des Jahres befristetes Aufenthaltsrecht zu gewähren. Dies sei kein „Abschiebestopp“, sagte Potsdams Sozialbeigeordnete Elona Müller (parteilos), gestern auf PNN-Anfrage.
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Die Stadt Potsdam hat ihr Vorgehen verteidigt, geduldeten Ausländern ein zunächst bis Ende des Jahres befristetes Aufenthaltsrecht zu gewähren. Dies sei kein „Abschiebestopp“, sagte Potsdams Sozialbeigeordnete Elona Müller (parteilos), gestern auf PNN-Anfrage. Einen solchen dürfe der Oberbürgermeister nicht verhängen, da dies rechtlich allein dem Land zustehe. Potsdam bediene sich der Möglichkeit des Aufenthaltsgesetzes, nach „pflichtgemäßem Ermessen“ Aufenthaltsrecht zu erteilen. Das sei rechtlich nicht zu beanstanden, so Müller. Dies habe die Stadt nach erneuter Prüfung durch das Rechtsamt auch dem Brandenburger Innenministerium mitgeteilt. Das Ministerium hatte von Potsdam nach dem so genannten Abschiebestopp einen Bericht gefordert (PNN berichteten). Eine weitere Reaktion gebe es noch nicht, so Müller.
Potsdam habe die Initiative, mehr Flüchtlingen Aufenthaltsrecht zu gewähren, bereits länger vorbereitet, erklärte Müller. Dazu habe sich die Stadt nach Beispiel anderer Kommunen bundesweit und in Absprache mit der Potsdamer Flüchtlingshilfe und der Ausländerseelsorge auf vier Entscheidungskriterien geeinigt. Diese würden bei den Einzelfallprüfungen angewandt. Geprüft werden laut Müller vor allem so genannte „Altfälle“ – dies seien Menschen, die sich „von Duldung zu Duldung“ hangelten und aufgrund von Bürgerkriegen oder Verfolgung nicht in ihr Heimatland zurückgeschickt werden könnten. Viele dieser Flüchtlinge lebten schon sehr lange in Deutschland, ihre Kinder seien hier aufgewachsen.
Um ein befristetes Aufenthaltsrecht von der Potsdamer Ausländerbehörde zu bekommen, müssen die Menschen mindestens fünf Jahre in Deutschland leben und dürften nicht „strafrechtlich auffällig“ gewesen sein, sagte Müller. Zudem müssten sie sich „integrationswillig“ zeigen. Dazu gehörten beispielsweise Grundkenntnisse der deutschen Sprache und Kinder, die deutsche Schulen oder Kitas besuchen. Außerdem müssten die geduldeten Ausländer nachweisen, sich ernsthaft darum bemüht zu haben, ein Einkommen zu erzielen. Eine Arbeitserlaubnis bekommen die Flüchtlinge zwar nicht, einer Beschäftigung, die nicht sozialversicherungspflichtig ist, könnten sie aber nachgehen oder sich darum bewerben, erklärte die Beigeordnete.
Geprüft habe die Stadt bereits 13 Familien mit insgesamt 48 Familienmitgliedern. Sie sollten gestern das bis Jahresende befristete Aufenthaltsrecht bekommen. Sie alle lebten in Wohnungen im Stadtgebiet, sagte Müller, und seien schon deshalb integriert. Weitere 70 Einzelfälle seien wie berichtet „definitiv“ in Prüfung. Insgesamt leben nach Angaben der Stadt 350 geduldete Ausländer in Potsdam.
Vorwürfe des CDU-Fraktionschefs Steeven Bretz, die Stadt verschärfe mit dem Vorgehen „das Ungerechtigkeitsgefüge“, wies die Sozialbeigeordnete zurück. „Es ist keine Ungleichbehandlung, wenn man Einzelfälle prüft – man hat es mit einzelnen Menschen zu tun.“ Zudem werde eine Veränderung des Bleiberechts bereits seit Jahren gefordert. Den Vorstoß von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), der sich für eine Verbesserung des Zuwanderungsrechts ausgesprochen hatte, habe die Stadt begrüßt. Deshalb habe der Oberbürgermeister auch entschieden, „unser Vorgehen öffentlich zu machen“, so Müller. Die Aufforderung an Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), landesweit einen Abschiebestopp zu verhängen, sei nicht als Provokation gedacht. Schönbohm lehnte dies gestern allerdings erneut ab. Integrationspolitik könne nicht auf dem Papier gemacht werden, erklärte Müller. „Wenn man erwartet, dass Ausländer sich integrieren, muss man auch die Tür öffnen und aktiv Integrationsmöglichkeiten schaffen.“
Dabei nimmt Potsdam bereits seit mehreren Jahren eine Vorreiterrolle im Land ein. Im Asylbewerberheim im Lerchensteig außerhalb der Stadt leben fast keine Familien mehr – sie sind in Wohnungen untergebracht. Auch bekommen Asylbewerber nach Einzelfallprüfung seit zwei Jahren Bargeld statt Sachleistungen. „Die Mehrzahl der Menschen bekommt Geld“, so Müller. Dazu gehörten alle Bewohner des Lerchensteig, da sie auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen seien und keine Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe hätten. Ernsthafte Probleme mit den Neuregelungen seien ihr nicht bekannt. „Wir sind auf dem richtigen Weg“, sagte die Sozialbeigeordnete.
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