Landeshauptstadt: Stadt will öfter Lerntherapien bezahlen
Nach heftiger Kritik von Eltern und Wissenschaftlern lenkt die Verwaltung ein. Fachärzte haben nun mehr Mitspracherechte
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Eltern von Kindern mit Lese-Rechtschreib- oder Rechenschwäche können mit mehr Hilfe rechnen. Die Stadt Potsdam will die betroffenen Jungen und Mädchen stärker unterstützen und prüft die Anträge auf Kostenübernahme bei Therapien nun in engerer Absprache mit den Psychiatern, die die Kinder diagnostizieren. „Wir wollen auch wesentlich enger mit den Eltern zusammenarbeiten, um in Ablehnungsfällen andere Therapien zu empfehlen“, sagt Uta Kitzmann, zuständige Bereichsleiterin in der Stadtverwaltung, gegenüber den PNN.
„Das ist ein Novum“, sagt Dyskalkulie-Experte Jörg Kwapis, Leiter des Zentrums zur Therapie der Rechenschwäche. Die Stadtverwaltung habe ihr bisheriges Vorgehen komplett überarbeitet und bemühe sich nun sehr um ein angemessenes Vorgehen. „Es ist für Eltern nicht mehr völlig aussichtslos, einen Antrag auf finanzielle Hilfe durch die Stadt zu stellen.“
Die Potsdamer Verwaltung galt bislang bei der Bewilligung von Anträgen auf Kostenübernahme bei Therapien als besonders restriktiv (PNN berichteten). Seit 2010 war die Zahl der positiv beschiedenen Anträge auf ein Drittel zurückgegangen. Dabei hatte sich die Rechtslage nicht verändert. In mehr als drei Viertel der Fälle hatte die Stadt im vergangenen Jahr Anträge auf finanzielle Unterstützung bei Dyskalkulie abgelehnt. Selbst Widersprüche, die Eltern einlegten, blieben in den meisten Fällen erfolglos. Somit mussten viele Familien oft mehrere Hundert Euro pro Monat für anstehende Therapien selbst zahlen. Mit diesem Vorstoß nun reagiert die Stadt auf etliche Beschwerden von Eltern und Legasthenie- und Dyskalkulie-Experten. Noch im Frühjahr dieses Jahres hatte der Jugendhilfeausschuss das Thema auf der Agenda.
Inzwischen beruft die Verwaltung in allen Fällen, wenn eine Ablehnung durch das Amt droht, eine Art Beirat ein, um den Fall mit ärztlichen Gutachtern zu besprechen. Als ein temporärer Beirat für zehn Fälle geplant, entschied die Stadt bereits nach sechs berarbeiteten Anträgen, dieses Instrument stets zu nutzen. „Wir waren trotz des Mehraufwands davon so begeistert“, sagt Kitzmann. Von den sechs Anträgen, die die Stadt wohl in der Vergangenheit alle abgelehnt hätte, wurde nach eingehender Prüfung lediglich einer abgelehnt. Ein Antrag ist derzeit noch in Prüfung, ein weiterer wurde zurückgestellt. Insgesamt dürfte sich die Zahl der positiven Bescheide in diesem Jahr deutlich erhöht haben, eine genaue Zahl und die entsprechenden Kosten wird die Verwaltung am Dienstag im Gesundheitsausschuss bekannt geben.
Auch die Kommunikation mit den Eltern ist verbessert worden. Im Falle einer Ablehnung des Antrags lädt die Behörde nun zum persönlichen Gespräch, um das weitere Vorgehen zu besprechen und auf mögliche andere Therapiemaßnahmen hinzuweisen. Aufgrund der massiven Kritik hatte die Stadt zunächst im Frühjahr eine Beratungsstunde für Eltern eingerichtet. Doch die sei nicht auf genügend Resonanz gestoßen, resümiert Kitzmann, und solle ab Dezember wieder eingestellt werden. Gleichzeitig hatte die Verwaltung eine vierteljährlich stattfindende Fachrunde mit Lehrern, Begutachtern und Psychiatern einberufen, an der auch Jörg Kwapis vom ZTR teilnahm. Die Runden seien ausgesprochen konstruktiv verlaufen, loben sowohl Kwapis als auch Bereichsleiterin Kitzmann.
„Das Allerwichtigste ist, dass wir für die Kinder die richtige Entscheidung treffen“, so Kitzmann. Das sah auch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg kürzlich so. Einer Klage eines Kindes gegen den Oberbürgermeister wurde stattgegeben und die Stadt per einstweiliger Anordnung verpflichtet, dem Kind sofort 30 Dyskalkulie- Therapiesitzungen zu bezahlen. Grit Weirauch
Grit Weirauch
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