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Landeshauptstadt: Stadtschloss als „Haus der Kunst“

Vier Monate nach Kriegsende gab es erste Umbaupläne. Kritiker fürchteten Konkurrenz zur Nikolaikirche

Stand:

„Am 14. 4. 45 abends gegen 10 Uhr bis 11 Uhr gab es einen sehr schweren Fliegerangriff auf Potsdam, der die Innenstadt durch Spreng- und Brandbomben fast völlig zerstörte mit all den schönen Bauten. Meine Praxis ist völlig ausgebrannt und das Haus Alter Markt 17 ist zu einem Trümmerhaufen zusammengestürzt. Eine richtige Atomzerstörung. Gerettet ist nichts, zerstört alles bis auf die letzte Büronadel“. Mit diesen wenigen Worten schildert der Arzt Bruno Süring seiner aus Potsdam ausquartierten Familie in einem neunseitigen Brief den Untergang der Bauten des Alten Marktes und seiner beruflichen Existenz am Ende des Zweiten Weltkrieges. Bauten waren kaum wichtig in diesen Schicksalsstunden. Es ging ums nackte Leben, ums tägliche Brot, um Einkellerungskartoffeln und um Kohlen für den nächsten Winter,

Was soll mit den Ruinen geschehen? Vor dieser Frage stand die Stadt- und Provinzialverwaltung. In den von PNN-Leser Georg Rendtel aufbewahrten Unterlagen ist von einem riesigen Trümmerwall die Rede, den der TU-Professor Freese anlegen wollte (PNN berichteten). Schon kurz nach dem Kriege gab es wie heute zwei Richtungen: Die einen wollten das Stadtschloss wieder aufbauen und die anderen folgten dem Slogan: Fort mit den Trümmern und was Neues hingebaut! „Man denkt daran das arg zerstörte Stadtschloss wieder aufzubauen, aber ihm durch Ausbau des Hofes ein anderes Gesicht zu geben“, schreibt Ministerialdirektor Hartke von der Provinzialverwaltung 1947. Es gab auch Vorstellungen, die Ruine zu sichern und zu erhalten. Dazu Hartke: „Zu einer absichtlich erzeugten, ästhetisch gepflegten Ruinenromantik ist unsere Zeit zu hart und unser Wille zu einem neuen Leben zu stark.“

Der erste Neubauplan stammt vom Architekten Karl-Friedrich Demmler. Danach sollte auf dem Alten Markt nach Wegräumung der Stadtschloss-Ruine ein Landestheater, passend zum Stil der Umgebung, entstehen. Eine „energische Schwenkung der Baufront“, bemerkt dazu Hartke, würde es ermöglichen, „alte störende Knicke eines Hauptverkehrsweges zu begradigen.“ Dieser Entwurf war jedoch bereits der zweite Schritt.

Demmler selbst wollte das Schloss erhalten. Er erhielt bereits vier Monate nach Kriegsende von der Provinzialverwaltung der Mark Brandenburg im Einvernehmen mit dem Landestheater die Aufgabe, einen Vorentwurf für die Neugestaltung des Stadtschlosses aufzustellen. Das Hohenzollernschloss sollte er zu einem „Haus der Kultur“ umgestalten. Der Architekt schreibt zu dieser Aufgabe: „Die als eines der charaktervollsten Gebäude der Stadt anzusehende, stark zerstörte Knobelsdorffsche Bauschöpfung sollte hierbei in der äußeren ursprünglichen Fassung wieder hergestellt, im Innern einer gründlichen Umgestaltung unterzogen und dabei einer zeitgemäßen kulturellen Zweckbestimmung zugeführt werden. Die Wiederherstellung der Fassaden sollte unter Berücksichtigung der denkmalpflegerischen Gesichtspunkte erfolgen.“

Demmler, der mit viel Gefühl für die Potsdamer Stadtgestalt an die Aufgabe heranging, unterbreitete einen detaillierten Vorschlag mit einer Theateranlage im Schlosshof für 1370 Besucher und der sinnvollen Nutzung der alten Räumlichkeiten. Merkwürdigerweise gab es gegen die Umbaupläne dann starke Bedenken: Der 34 Meter hohe Bühnenturm würde eine zu starke Konkurrenz zur Nikolaikirche bilden und der Umbau des Hofes den Charakter der Bauanlage beeinträchtigen, hieß es. Demmler verteidigte sich und baute ein Modell 1:500: „Rein grundrisslich gesehen ist der Schlosshof mit den vorhandenen Abmessungen wie geschaffen zum Einbau einer modernen Bühnenanlage mit Zuschauerhaus.“

Aus den Plänen wurde nichts. Die Bedenken passten in das Konzept, den Schlossaufbau ad acta zu legen. „Aus einer anderen Begründung heraus“ sei der Gedanke des Wiederaufbaus des Stadtschlosses „beiseitegestellt“ worden, schreibt Demmler vieldeutig im Juli-Heft 1947 der Zeitschrift „Der Bauhelfer“. „Maßgebende Stellen“ erwägen sogar den Abbruch, fügt er bedauernd hinzu. Doch da er vom Präsidenten der Landesverwaltung gleichzeitig einen Auftrag für den Entwurf eines Landestheaters „an der südlichen Eingangspforte von Potsdam“ erhält, nimmt er den Abriss des Schlosses und des Fortunaportals als gegeben hin und gestaltet das Areal gedanklich völlig um. Das Modell zeigt eine nach Meinung von Fachleuten durchaus akzeptable städtebauliche Lösung, wobei allerdings die durch das Stadtschloss bestimmte historische Stadtgestalt völlig aufgegeben ist.

Dass auch daraus nichts wurde, dürfte der Tatsache geschuldet sein, dass nach der Euphorie des Neubeginns schon wenige Monate später der Wohnungsbau den Vorrang vor Kulturbauten erhielt. Das Nicht-Gebaute hat bis auf den heutigen Tag seine Vorteile, welche bereits Ministerialdirektor Hartke erkannte. Dass in den Innenstädten der Ostzone Deutschlands so wenig gebaut werde, sei „begreiflich und vielleicht sogar gut, denn gebaute Felder sind am schwersten zu korrigieren.“

Wer einen bisher nicht verwirklichten Architektur-Entwurf für die PNN-Serie „Luftschlösser“ vorschlagen möchte, meldet sich unter Tel.: (0331) 2376 134, Fax: (0331) 23 76 300 oder per E-mail an lokales.pnn@pnn.de.

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