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Lückenschluss auf der Landzunge. Für vier Grundstücke auf dem Glienicker Horn, alle in erster oder zweiter Reihe zum Wasser hin ausgerichtet, gibt es noch Baurechte. Eines wurde bereits wahrgenommen, der dreigeschossige Rohbau steht schon. Für die anderen Grundstücke hat die Stadt Baugenehmigungen für weitere Zwei- und Dreigeschosser erteilt.

© A. Klaer

Landeshauptstadt: Stadtvillen auf der Welterbe-Landzunge

Die Stadt vergaß, das Baurecht am Glienicker Horn zu streichen – jetzt bekommt sie die Quittung

Von Peer Straube

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Berliner Vorstadt - Jahrelang wurde prozessiert, nun wird der schlimmste Alptraum der Denkmalpfleger am Glienicker Horn wahr: Weil die Stadt das entscheidende Gerichtsverfahren im Streit um die letzten Baurechte auf dem sensiblen Areal verloren hat, werden die letzten Baulücken geschlossen. Um insgesamt vier Grundstücke ging es, alle vier in exponierter Lage am Wasser, zum Teil mit Ausblick auf den Babelsberger Park, sie alle werden nun bebaut.

Die Baugenehmigungen, sagte Rathaussprecher Jan Brunzlow am Dienstag den PNN, seien für alle Grundstücke erteilt worden. Es gehe um zwei- und dreigeschossige Wohnhäuser, eines davon steht bereits im Rohbau. Das Glienicker Horn, seit Mitte der 90er-Jahre ein rotes Tuch für die Welterbehüter der Unesco, wäre damit komplett zugebaut.

Die neuen Gebäude sind Bestandteil der exklusiven Villensiedlung „Potsdamer Arkadien“, die Mitte der 90er-Jahre von der Bayrischen Hausbau KG und der Investorengruppe Groth und Graalfs errichtet wurde. Umgeben von einem schweren Eisenzaun und überwacht von Kameras entstanden auf der bis dato weitgehend unbebauten Landzunge des Glienicker Horns insgesamt 33 Villen mit 210 Eigentumswohnungen.

Wegen dieser Villen hatten die Unesco-Welterbehüter bereits damals Alarm geschlagen: Das Quartier wurde als Bausünde und schwerer Eingriff in die preußische Kulturlandschaft gewertet – Potsdam drohte deshalb die Rote Liste des gefährdeten Welterbes. Als Kompromiss zwischen Stadt und Unesco waren damals die vier Grundstücke direkt am Tiefen See unbebaut geblieben. Dass dort nun, rund 20 Jahre später, trotzdem Stadtvillen gebaut werden können, ist einer langen Serie von Pannen und Versäumnissen der Stadtverwaltung bei der Ausarbeitung des gültigen Bebauungsplans für das Gebiet geschuldet: Potsdam hatte schlicht vergessen, das Baurecht für die vier Grundstücke in Einigung mit den Eigentümern zu streichen. Dies fiel der Stadt erst auf, als vor fünf Jahren ein ehemaliger Bankier aus Nordrhein-Westfalen eines der vier Grundstücke erwarb und dort bauen wollte. Die Stadt reagierte zunächst mit einer sogenannten Veränderungssperre, die für zwei Jahre jegliche Bauten untersagt. Im Mai 2008 beschlossen die Potsdamer Stadtverordneten dann den geänderten Bebauungsplan, der die Baugrundstücke zu privaten Grünflächen erklärte. Weil die Stadt die Eigentümer allerdings nicht angemessen entschädigen wollte, wurde die B-Plan-Änderung vom Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg wieder gekippt und die Baurechte für die vier Grundstücke wiederhergestellt. Stadt und Eigentümer verhandelten in der Folge über einen Kompromiss, der letztlich scheiterte. 2010 sah die Stadt kurzfristig sogar wie der Gewinner aus: Das Verwaltungsgericht wies die Klage des Bankiers auf Erteilung einer Baugenehmigung ab. Ein Wohnhaus an dieser Stelle würde „eine vollständige und unwiderrufliche Zerstörung der schützenswerten Sichtbeziehungen vom Babelsberger Park“ auf die „geschlossen wirkende“ Spitze des Glienicker Horns bedeuten, argumentierten die Richter. Die Freude währte nur kurz: 2012 gab das OVG der Berufung des Klägers statt und kassierte das Urteil des Verwaltungsgerichtes wieder. Zwar sah auch das OVG die massiven Eingriffe in die Welterbezone durch eine Bebauung als gegeben an, doch sei die Stadt an dem Dilemma selbst schuld: Die Verwaltung könne sich nicht nachträglich auf denkmalschutzrechtliche Probleme berufen, die sie im geltenden B-Plan bereits als angemessen gewürdigt erklärt habe, so der Tenor.

Inzwischen haben alle vier Grundstücke den Eigentümer gewechselt. Der Bankier habe an einen Privatmann verkauft, wie sein damaliger Anwalt Andreas Seeck den PNN bestätigte. Auch die Commerzbank-Tochter Corecd, der die anderen drei Grundstücke gehörten, hat diese weiterveräußert. Nach Auskunft ihres damaligen Anwalts Klaus-Martin Groth wurde ein Grundstück an einen Anwohner der „Potsdamer Arkadien“ veräußert, die beiden anderen seien an den Besitzer der nebenan gelegenen Villa Kampffmeyer gegangen.

Die Weiterverkäufe sind besonders pikant, weil die Bebauung unter den Vorbesitzern wohl weniger massiv ausgefallen wäre. Der Bankier hatte nur eingeschossig bauen wollen, eine ähnliche Vereinbarung soll es nach PNN-Informationen auch mit der Corecd gegeben haben. Dass nun alles vollgebaut werde, habe sich die Stadt selbst zuzuschreiben, sagten Seeck und Groth.

Auswirkungen auf den Welterbestatus Potsdams befürchtete man im Rathaus dennoch nicht. „Nach den umfänglichen, aber aus rechtsstaatlichen Gründen nicht erfolgreichen Bemühungen der Landeshauptstadt, die Baurechte einzugrenzen, werden negative Konsequenzen nicht erwartet“, hieß es. Bei Icomos, dem internationalen Rat für Denkmalpflege, der die Unesco in Welterbefragen berät, zeigte man sich von den aktuellen Bauprojekten überrascht. Der für Potsdam zuständige Icomos-Beobachter Thomas Ludwig übte Kritik an der Stadt: „Wir hätten uns gewünscht, dass unsere Stellungnahme dazu eingeholt wird“, sagte er. Die Meinung von Icomos ist für die Unesco maßgeblich – auch wenn es um die Aberkennung des Titels einer Welterbestätte geht. Die Stadt hingegen verweist auf die „turnusmäßigen Treffen“ mit Icomos-Vertretern. Das nächste findet nach PNN-Informationen im nächsten Frühjahr statt.

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