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Landeshauptstadt: Stadtwerkeaffäre: Aufklärung gefordert

Was wusste der Aufsichtsrat von Geheimbürgschaften und Geheimdarlehen?Geheimbürgschaften sind einfach: Zunächst ist nur die Bürgschaftserklärung abzugeben, eine Unterschrift genügt.

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Was wusste der Aufsichtsrat von Geheimbürgschaften und Geheimdarlehen?

Geheimbürgschaften sind einfach: Zunächst ist nur die Bürgschaftserklärung abzugeben, eine Unterschrift genügt. Dann „vergisst“ man einfach den Buchhalter zu informieren und die Bürgschaft fehlt im Jahresabschluss. Mehr ist nicht notwendig. Probleme ergeben sich nur, wenn die Bürgschaft in Anspruch genommen wird. Darüber macht man sich bei der Vergabe aber noch keine Gedanken. Geheimdarlehen sind dagegen schwierig: Mit der Darlehensvergabe fließt Geld. Soll der Geldfluss geheim bleiben, ist er zu verschleiern. Dazu bedarf es einer gewissen Kreativität. So könnte zum Beispiel eine „schwarze Kasse“ existieren, also ein Bankkonto, das nicht in der Buchführung (und nicht in der Bilanz) auftaucht. Das Konto muss unauffällig gefüllt werden. Dazu bietet sich ein verschwiegener Geschäftspartner an, der für eine nicht erbrachte Leistung eine Rechnung ausstellt. Die Rechnung wird bezahlt, der Buchhalter hat zum Zahlungsausgang eine Rechnung und ist zufrieden. Der Geschäftspartner transferiert das Geld in die „schwarze Kasse“.

War in der Affäre „Paffhausen“ jemand behilflich, eine „schwarze Kasse“ zu füllen? Es stellt sich die Frage, ob bei den EWP-Jahresabschlüssen schon Auffälligkeiten für den Wirtschaftsprüfer zu erkennen waren. Wenn ja, was hat er dazu in seinen Prüfungsbericht geschrieben? Diese Berichte müssen dem Aufsichtsrat vorgelegt werden! Wenn in den Berichten über die Jahresabschlussprüfungen schon etwas gestanden haben sollte, dann dürfte die aktuelle Entwicklung für die EWP-Aufsichtsratsmitglieder nicht überraschend sein. Dies setzt jedoch voraus, dass sich die Aufsichtsratsmitglieder auch tatsächlich mit den Prüfungsberichten inhaltlich umfassend auseinandergesetzt haben, wozu natürlich ein ausreichendes kaufmännisches, betriebswirtschaftliches und juristisches Fachwissen notwendig ist.

Ulrich Damerau, Potsdam

Politik hat versagt

Die Presseschelte von Oberbürgermeister Jann Jakobs ist wohlfeil, aber fehl am Platze. Ehe er sich über die hehren Werte einer Moral lustig macht, sollten doch die politischen Werte zuerst betrachtet werden, und dann könnte man über die Moral der Beteiligten durchaus erneut nachdenken. Und politische Werte heißt für mich, Verantwortung zu tragen und seinen Aufgaben gerecht zu werden.

Richtig ist, dass Aufsichtsratsmitglieder nach Gesetz über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Stillschweigen zu bewahren haben. Sollte Paffhausen das überaus eng ausgelegt haben, hätten die Aufsichtsräte sich wehren können. Haben sie das getan? Aufsichtsräte haben laut Gesetz die Aufgabe, die Geschäftsführung umfänglich zu prüfen, alle notwendigen Fragen zu stellen und notfalls eine Antwort zu erzwingen. Haben sie das getan? Nicht im GmbH-Gesetz festgelegt, aber allgemeine Praxis ist, von den Aufsichtsrats-Sitzungen ein Protokoll anzufertigen. Das darf durchaus umfänglich sein. Und es spricht nichts dagegen aus den Gesetzen, dieses den Gesellschaftern auszuhändigen sofern keine Gefahr besteht, dass der Empfänger damit der Gesellschaft schaden kann. Ist das geschehen? Und wenn man Jakobs eine gewisse Überforderung in Betriebswirtschaft und Bilanzanalyse konzedieren mag, so gibt es in der Stadtverwaltung einen Verantwortlichen für das Beteiligungsmanagement. Als Vertreter des Eigentümers Stadt hätte doch spätestens dort der Profi etwas bemerken und reagieren müssen.

Nun wird gefordert (zum Beispiel von der SPD), die Verschwiegenheitspflicht abzuschaffen. Keiner, der in einem Unternehmen jemals Verantwortung getragen hat, wird dem so zustimmen. Transparenz muss sich anders herstellen lassen. Wie wäre es denn, wir würden die Haftung der Aufsichtsräte einmal ernst nehmen? Nun setzt der große Run auf die Aufsichtsratsmandate ein. Ich fürchte, es wird sich nichts ändern an der vorstehend genannten Problematik. Denn das wahre Dilemma besteht in der mangelnden Qualifikation der alten und neuen Kandidaten.

Zurück zu OB Jakobs. Wenn es zur Moral politischer Verantwortlicher gehört, einen wirklich guten Job zu tun, dann hat in Potsdam auch die Moral schwer gelitten. Und das seit langer Zeit. Der komfortable Vertrag mit Paffhausen ist unter Platzeck geschlossen worden. Und: Paffhausen hat seinen Job auch gut gemacht, dafür gibt es viele Beispiele. Aber er ist nicht der Erste, bei dem mangels Kontrolle die Allmachtsgefühle durchgegangen sein könnten. Dass ein Geschäftsführer zum 'König Peter' avancieren konnte, ist ein Zeichen des allgemeinen Versagens der Politik.

Joachim de Boor

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