Landeshauptstadt: Stasi-Check für Potsdams Stadtpolitiker Die Andere sorgt für Eklat im Rathaussaal
Die Potsdamer Stadtverordneten lassen sich birthlern: Mit 45 Ja- und drei Gegenstimmen haben sie am Mittwochabend einer Überprüfung aller Parlamentarier auf eine frühere Stasi-Mitarbeit zugestimmt. Zudem sollen die Beigeordneten und die Ortsbürgermeister sowie die stimmberechtigten Mitglieder im Jugendhilfeausschuss überprüft werden.
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Die Potsdamer Stadtverordneten lassen sich birthlern: Mit 45 Ja- und drei Gegenstimmen haben sie am Mittwochabend einer Überprüfung aller Parlamentarier auf eine frühere Stasi-Mitarbeit zugestimmt. Zudem sollen die Beigeordneten und die Ortsbürgermeister sowie die stimmberechtigten Mitglieder im Jugendhilfeausschuss überprüft werden. Einzig Klaus-Uwe Gunhold und Herbert Schlomm von den Linken sowie Julia Laabs von der alternativen Wählergruppe Die Andere haben sich gegen den Check durch die von Marianne Birthler geführte Stasiunterlagenbehörde ausgesprochen.
Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg, der wegen seiner früheren IM-Tätigkeit und seinem Umgang damit nach der Wende zuletzt selbst unter Druck geraten ist, begrüßte die Entscheidung. Er hatte sich 1995 vor den Stadtverordneten als Stasi-Zuträger enttarnt, nachdem einer Untersuchungskommission seine Akten vorgelegen haben. Damals soll wie heute gelten – die Stadtverordneten werden nur geoutet, wenn sie ihr Mandat nicht zurückgeben oder sich nicht selbst enttarnen. Scharfenberg erklärte zur neuerlichen Überprüfung: „Ich habe ein Interesse daran zu wissen, ob es wirklich Erkenntnisse gibt, die eine Neubewertung meiner Vergangenheit nötig macht.“ Er bezeichnete seine IM-Tätigkeit als „Vergangenheit, die ich sehr kritisch sehe“. Kritiker warfen ihm zuletzt einen nicht sehr offenen Umgang mit der eigenen Vergangenheit vor, da er sich 1992 schriftlich gegen eine Stasiüberprüfung ausgesprochen hat. Die von Stadtverordnete ins Leben gerufene Kommission zur Bewertung der Stasi-Unterlagen hatte Scharfenberg nicht die Niederlegung des Mandats empfohlen - im Fall Scharfenberg wurde damals keine Empfehlung abgegeben.
Vor der Abstimmung über das Stasi-Screening kam es zu tumultartigen Szenen im Rathaus-Sitzungssaal, nachdem die Stadtverordnete Julia Laabs von Die Andere die DDR-Staatssicherheit mit westlichen Geheimdiensten gleichgesetzt hat und – mit späterer Unterstützung der NPD – eine Überprüfung der Stadtverordneten auch auf die Mitarbeit westlicher Geheimdienste forderte. Sie bezeichnete die Stasi-Aufarbeitung als „undifferenziert und heuchlerisch“. Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) verließ während der fünfminütigen Rede aus Protest den Raum. „So einen Mist muss ich mir nicht anhören“, rief er in den Saal und verschwand. Gestern erklärte er: „Das ist ein Hohn all jenen gegenüber, die von der Stasi verfolgt worden sind.“ Die Debatte habe ihm die Sprache verschlagen. Heutige deutsche Geheimdienste würden zwar auch nicht immer „ganz koscher arbeiten, aber dies sei ein himmelweiter Unterschied zur Stasi“. Dieser Vergleich sei „wirklich übel“, sagte die frühere DDR-Bürgerbewegte Ute Bankwitz. Ein ganzes Volk sei demoralisiert worden. Saskia Hüneke (Bündnisgrüne) erklärte, die Stasi sei Organ der Partei-Oligarchie gewesen, der Verfassungsschutz sei Teil der heutigen Demokratie. jab
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