Landeshauptstadt: Steinzeitdorf auf dem Anger
Schon vor 5000 Jahren war Neuendorf als Siedlungsort sehr gefragt
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Babelsberg - Die Bauauarbeiten für die Erdwärmeheizung der Kirche auf dem Neuendorfer Anger brachten es an den Tag: Lange bevor das deutsche Dorf Neuendorf 1375 im Landbuch Kaiser Karls IV. erstmals urkundlich erwähnt wurde, gab es hier eine Siedlung. Beim Ausheben der Baugrube wurden Spuren von Bauten entdeckt, die vor etwa 5000 Jahren, also in der Jungsteinzeit, errichtet worden waren. Die Stadtarchäologin Gundula Christl reagierte sofort und beauftragte die Archäologie Manufaktur Wustermark mit Ausgrabungs- und Sicherungsarbeiten, die gestern früh in Angriff genommen wurden.
Für Ausgrabungsleiter Dr. Jonas Beran ist der Fund keine Sensation. Die wald- und wasserreiche Potsdamer Landschaft bot seit jeher günstige Lebensbedingungen und lockte bereits vor mehr als 10 000 Jahren Jäger und Sammler an, die dann in der Jungsteinzeit sesshaft wurden. Die Archäologie Manufaktur konnte Spuren früher Besiedlung bereits an der Heiligengeistkirche/Große Fischerstraße, am Alten Markt, am Straßenbahndepot Holzmarktstraße sowie im Botanischen Garten an der Maulbeerallee sichern.
Auf dem Neuendorfer Anger untersuchen die Archäologen Verfärbungen im Erdreich. Sie verraten ihnen, dass an diesen Stellen Pfosten und hölzerne Wände gesetzt wurden. Sie können von Hausbauten, aber auch von Schutzwällen stammen, mit denen die Menschen damals ihre Siedlungen umgaben. Welcher ethnischer Herkunft sie waren, sei bis heute ungeklärt.
Schicht für Schicht tragen die Archäologen und Helfer vom Förderverein Neuendorfer Kirche vorsichtig das Erdreich ab, um Funde nicht zu zerstören. Jeder Schritt wird durch Digitalkameras festgehalten. Dabei wird die Fläche durch Messpunkte markiert, was für die spätere Aufarbeitung des Materials von großer Bedeutung ist. Am Ende steht eine genaue Dokumentation, die sowohl dem Auftraggeber, der Stadt Potdam, wie auch dem Landesamt für Denkmalpflege übergeben wird. Materiell wertvolle Funde sind aus dieser frühen Zeit nicht zu erwarten, Beran hofft aber auf wissenschaftlich interessante Stücke wie Gefäßscherben und Reste von Haushaltsgegenständen, womit damals die Pfostenlöcher und Gräben verfüllt wurden.
Bei den Grabungen legen die Archäologen auch spätere Zeitschichten frei. So deuten rotgebrannter Lehm und schwarze Holzkohleschichten auf die Fachwerkkirche hin, die dort von 1585 bis 1853 stand. Sie besaß wie üblich auch einen Kirchhof. Als auf dem Anger 1850 und 1899 zwei neue Kirchen entstanden, wurden die Toten umgebettet. Das ist wohl recht hastig geschehen, denn bei den jetzigen Arbeiten treten immer wieder menschliche Gebeine zutage. Jonas Beran möchte nicht ausschließen, dass beim Fortgang der Grabungen auch eine komplett erhaltene Grabstätte entdeckt wird, was historisch von hohem Wert wäre. Er ist überrascht, dass sich trotz der beiden Kirchenbauten im 19. Jahrhundert im Untergrund archäologisch wichtige Erdschichten so gut erhalten haben.
Die Untersuchungen werden einige Zeit in Anspruch nehmen, aber abschnittsweise ausgeführt. Auf den freigegebenen Flächen kann der Förderverein dann die Arbeiten für die Erdwärmeversorgung der Angerkirche fortsetzen.
Erhart Hohenstein
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