Landeshauptstadt: Stiftung 40 Jahre nach der Sprengung
Empfang des Garnisonkirchen-Vereins: Schönbohm lobt Tugenden / Jesse: Turmbau sofort möglich
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Innenstadt - 2008 soll die entscheidende Weiche für den Wiederaufbau der Garnisonkirche gestellt werden: Der Förderverein will zum 40. Jahrestag der Sprengung der bedeutendsten Barockkirche Potsdams am 23. Juni eine kirchliche Bau- und Trägerstiftung gründen, kündigte der Vereinsvorsitzende Johann-Peter Bauer am Dienstagabend beim gut besuchten Neujahrsempfang des Vereins an. Die Gründung der Stiftung „ist die Voraussetzung dafür, dass wir aktiv werden können“, ergänzte Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) in seiner Rede.
Die Garnisonkirche war beim verheerenden Luftangriff auf Potsdam am 14. April 1945 schwer beschädigt und die Ruine 1968 auf Anordnung der SED-Führung gesprengt worden. Zum 60. Jahrestag des alliierten Luftangriffes im Jahr 2005 konnte bereits der Grundstein für den Wiederaufbau der von Philipp Gerlach entworfenen Kirche gelegt werden.
Irritationen gab es unter den Empfangsgästen hinsichtlich der Situation des Kirchen-Grundstücks. Dazu erklärte gestern Sanierungsträger-Chef Erich Jesse, dass der Kaufvertrag mit der Firma Arag seit längerer Zeit unterschrieben sei, der Kaufpreis aber noch nicht gezahlt wurde, da eine Zahlungsfrist bis 2009 vereinbart wurde. Der Vertrag habe den Stadtverordneten vorgelegen. Eine Beeinträchtigung des Wiederaufbaus durch die getroffene Regelung ist Jesse zufolge auszuschließen. „Theoretisch“ könne sofort mit dem Bau des stadtbildprägenden Turms begonnen werden: „Dieser Grundstücksteil steht ab sofort zur Verfügung“, erklärte Jesse. Die Einbringung des Grundstückes in die Garnisonkirchen-Stiftung sei juristisch relativ einfach zu klären. Dies bestätigte Wolfgang Hadlich, Leiter des Oberbürgermeister-Büros. Es sei möglich, auch den vertraglich abgesicherten Anspruch auf das Grundstück in die Stiftung einzubringen, so Hadlich.
Bauer gab am Empfangsabend bekannt, dass es eine zweite Auflage des Garnisonkirchen-Sektes geben werde, dessen Etikett durch den Potsdamer Künstler Christian Heinze gestaltet wurde. Ein Euro des Verkaufspreises von 7,99 Euro kommt dem Aufbau-Projekt zugute. Gäste des Empfangs nutzten die Möglichkeit, in Geltow gebrannte Steine zu erwerben. Ab einem Förderbetrag von 100 Euro werden die mit dem Namenszug des Sponsors versehenen Ziegel sichtbar im wiederentstehenden Treppenhaus der Garnisonkirche verbaut. Die diesjährigen Jahrestage historischer Ereignisse um die Garnisonkirche will die Fördergesellschaft zu Gedenkveranstaltungen nutzen. So sei im März zum 75. Jahrestag des „Tages von Potsdam“ in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) und dem Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr (MGFA) eine wissenschaftliche Veranstaltung über den „einstündigen Missbrauch“ der Kirche durch die Nationalsozialisten am 21. März 1933 geplant, so Bauer.
Mit Aufmerksamkeit wurde ein Vortrag Jörg Schönbohms verfolgt, der eine moralphilosophische Universitäts-Vorlesung hätte sein können. Schönbohm stützte seine These von der heutigen Bedeutung der preußischen Tugenden mit Zitaten Michel de Montaignes („Nichts ist so schön und ehrenhaft, als aufrichtig und wie es sich gehört ein Mensch zu sein.“), Aristoteles“ („Die Tugend ist ein Gipfel zwischen zwei Lastern.“) und Immanuel Kants („Disziplin und Zucht ändern die Tierheit in die Menschheit um.“). Treue und Redlichkeit seien Tugenden des preußischen Staates gewesen. In der Tugend der Treue schwingen Schönbohm zufolge noch weitere Tugenden mit: Verlässlichkeit, Aufrichtigkeit und manchmal auch Aufopferung. Es bedeute auch Treue sich selbst gegenüber, etwa das zu tun und zu vertreten, was eigene Überzeugung ist. Wer sich selber treu sei, werde nicht Opfer von blindem Gehorsam und blinder Gefolgschaft. Die Redlichkeit sei der Treue verwandt, die Rede einer Person müsse übereinstimmen mit dem, was er tut. Dass es aktuelle Assoziationen zwischen den von ihm auf den Sockel gehobenen moralischen Normen und dem tatsächlichen Handeln etwa von Potsdamer Politikern geben könnte, hielt Schönbohm nicht davon ab zu fordern, dass zur Redlichkeit gehöre, „sich nicht kaufen zu lassen“ und „andere nicht zu kaufen“. Auch für die Tugenden Bescheidenheit und Genügsamkeit brach Schönbohm eine Lanze: Es gelte, wenig für sich zu beanspruchen, selbst wenn die Möglichkeit der „Vorteilnahme“ gegeben ist.
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