HEYES Woche: Stolpern und Erinnern
Uwe-Karsten Heye stolpert manchmal über die Geschichte der Stadt
Stand:
Es gibt Grund zur Freude über den sich entspannenden Arbeitsmarkt in Potsdam. Nie zuvor seit der Wende waren die Chancen auf einen Arbeitsplatz in der Stadt so günstig wie derzeit. Seit 2005 hat sich die Arbeitslosenquote fast halbiert. Jetzt warten noch 6257 Potsdamer auf einen Job. Die Arbeitslosenquote liegt bei 7,8 Prozent. Potsdam auf dem Weg nach oben: kinderreich, mit einer zusehends gesunden ökonomischen Basis. Dazu eine Stadtgeschichte, die fast automatisch wachsende Besucherströme in die Preußen- und Filmstadt lenken. Preußens Friedrich und seine Freude an repräsentativer Baukunst wirkt eben auch lustvoll und attraktiv auf die republikanischen Nachfahren, die ansonsten wohl vor königlich-kaiserlicher Nostalgie gefeit sind. Und was zu SED-Zeiten den Abräumern des ungeliebten geschichtlichen Erbes nicht im Wege stand, wie es Stadtschlossruine und die Reste der Garnisonskirche taten, blieb erhalten und hat seinen erinnernden Wert. Sanssouci, die Schlösser Charlottenhof und Babelsberg, der Pfingstberg, das Neue Palais dazu die bis weit in die Gründerzeit hinein reichende Bausubstanz sind reiche und glücklich erhaltene Hinweise darauf, dass architektonische Kunst nicht beim Sozialbau West oder Plattenbau Ost enden muss. Immer hat es dazu Auftraggeber gebraucht, und nicht nur solche, die die durch den großen Krieg und seine Zerstörungswut entstandene Wohnungsnot zu beseitigen hatten. Wichtig für Potsdams Baugeschichte war das wohlhabende Bürgertum, das in friedlicheren Zeiten große Architektur in Auftrag geben konnte. Auch die jetzt verlegten Stolpersteine, die an Potsdamer Bürger, Männer und Frauen, erinnern, die dem Rassenwahn der Nazis ausgeliefert waren, weisen den Weg zu denen, die an der Schönheit der historischen Stadt so großen Anteil hatten. Geschichte lässt sich eben nicht einfach wegsprengen. 123 Stolpersteine sollen es werden, die daran erinnern wie viele Opfer des Holocaust es hier gab und daran, dass Potsdam einst „judenrein“ gemacht wurde. Damit wurde auch die pragmatische Toleranz preußischer Provenienz zu Geschichtsmüll. So oder so: Potsdam lebt in und von seiner Geschichte. Wir sehen es auf Schritt und Tritt – und nun stolpern wir manchmal darüber.
Uwe-Karsten Heye schreibt an dieser Stelle regelmäßig für die PNN. Unser Autor war Regierungssprecher von Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder. Heute lebt Heye mit seiner Familie in Babelsberg.
Uwe-Karsten Heye
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