Landeshauptstadt: Stolpersteine und neue Medien
Am heutigen Dienstag diskutieren Fachleute das Erinnerungskonzept für die Landeshauptstadt
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Besitzt eine Stadt wie Potsdam – in der sich verschiedene Traditionslinien kreuzen und historische Verwerfungen dicht aneinanderreihen – die Chance auf gemeinsame, konsensfähige Erinnerungskultur? Das im September erschienene „Konzept zur Erinnerungskultur der Landeshauptstadt Potsdam“ beantwortet diese Frage mit einem klaren Ja. Als Druckversion hat es bereits die zweite Auflage erreicht, doch auf der offiziellen Website der Stadt versteckt es sich als Unterlink. Da kommt die für den heutigen Dienstag angesetzte Podiumsrunde der Reihe „Tolerantes Sofa“ im Bildungsforum Am Kanal recht, um Details des Konzeptes besser auszuleuchten.
An dem von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) initiierten Beteiligungsverfahren, auf dem das Erinnerungskonzept fußt, hatte sich ein bemerkenswerter Querschnitt von Parteien, Vereinen, Opferverbänden, Forschungsinstituten, Bürgerinitiativen, Gedenkstätten, Stiftungen bis hin zu Einzelpersonen beteiligt. Flankiert wurde die Umfrage mit Werkstattgesprächen, Anhörungen und Diskussionsrunden und mit fachkundiger Begleitung durch das Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) sowie den Verein „Neues Potsdamer Toleranzedikt e.V.“. Die Historikerin Heike Roth dokumentierte die Diskussion zusammenfassend auf knapp 100 Seiten.
Die vor zwei Jahren heiß diskutierte Frage, ob die Stadt einen zentralen Gedenkort benötige, war vergleichsweise schnell von nahezu allen Befragten verneint worden – schon deshalb, weil Erinnerung meist nach dem authentischen Ort des Geschehens sucht und weniger nach einem ritualisierten Raum verlangt. Künftiges Gedenken wird sich dagegen verstärkt an Orten festmachen, wo sich – teils mehrfach – dramatische historische Zäsuren ergaben und wo noch bis in die jüngste Geschichte hinein Bürger- und Menschenrechte gravierend verletzt wurden. Wie kaum ein anderer Potsdamer Ort steht hierfür die heutige Gedenkstätte in der Lindenstraße 54, die die Kontinuität und den Wandel politischer Verfolgung und Gewalt im 20. Jahrhundert, aber auch den späteren Sieg der Demokratie 1989/90 widerspiegelt. Eine ähnliche Bedeutung wird der Gedenk- und Begegnungsstätte am einstigen KGB-Gefängnis Leistikowstraße bescheinigt. „Bei allen Verbrechen der Nachkriegszeit“, betont Heinz Kleger, Professor an der Uni Potsdam, „bleibt es aber wichtig, zu beachten, dass die Singularität der NS-Verbrechen nicht infrage steht.“
Auch historische Plätze wie der Standort der ehemaligen Synagoge am Platz der Einheit, Schloss Cecilienhof – Ort des Potsdamer Abkommens – und die Glienicker Brücke als Symbol der deutschen Trennung und Wiedervereinigung bleiben im Fokus der historischen Rekonstruktion. An anderen, für die Stadt ebenfalls symbolträchtigen Orten werden unterschiedliche Erinnerungsformen ihre Divergenz behalten. Klassisches Beispiel hierfür ist die Garnisonkirche.
Wohl einfacher als bei den Prioritäten für Gedenkorte scheint man einen übergreifenden Konsens dazu gefunden zu haben, welche jährlichen Erinnerungstage offizielle Unterstützung durch die Stadt erfahren sollen. So wird die Landeshauptstadt auch künftig am 27. Januar (Holocaust-Gedenktag), am 14. April (Luftangriff auf Potsdam 1945), am 13. August (Mauerbau 1961) und am 9. November (Pogromnacht 1938, Mauerfall 1989) eigene Gedenkveranstaltungen ausrichten.
Dezentralisiertes Gedenken in kleineren Formen wird ebenfalls an Bedeutung gewinnen, zumal hier die Chancen, auch Jugendliche zu erreichen, größer erscheinen. So erlebt das vom Kölner Bildhauer Gunter Demnig initiierte Projekt „Stolpersteine“ viel Resonanz bei Lehrern und Schülern. Häufig werden biografische Studien zu den auf den Steinen im Boden vermerkten Opfern der Nationalsozialisten in Eigeninitiative unternommen. Um junge Leute für historische Zusammenhänge sensibler zu machen, empfiehlt das Erinnerungskonzept den vermehrten Einsatz der neuen Medien. O. Glöckner
O. Glöckner
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