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WEIMERS Woche: Stolz wie die Griechen

Wolfram Weimer zieht Parallelen zwischen Athen und Potsdam

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In dieser Woche war ich in Athen. Mich interessierte – jeder hat so seine Marotte – die antike Agora, wo die Philosophen Sokrates, Platon und Aristoteles einst debattierten. Ich betrat also den legendären Platz unterhalb der Akropolis und fühlte mich schlagartig an das Schlossgelände in Potsdams Mitte erinnert. Hier wie da ein stolzes historisches Erbe, viele Touristen auf der Suche nach dem großen Gestern, aber doch leere Ruinenfelder im Herzen der Stadt.

In Athen steht an einem Ende der Agora ein beeindruckender Sakralbau (der Hephaistos- Tempel), ganz so wie in Potsdam die Nikolaikirche den Schlossplatz säumt. Gegenüber davon haben sie in Athen die „Stoa“ originalgetreu wieder aufgebaut – die einhundertsechzehn Meter lange Säulenhalle samt Museum. Die Rekonstruktion war umstritten (weil weitgehend Neubau) und ist doch ein Riesenerfolg geworden.

In Potsdam streiten wir noch, wie stark sich der Wiederaufbau des Schlosses am historischen Vorbild orientieren soll. Wer ein wenig in der Welt herumkommt, der kann Potsdam nur empfehlen, möglichst viel vom historischen Erbe wiederzubeleben. Was man bei der Stoa in Athen beobachten kann, das gilt für die Brücke von Mostar genauso wie für die Frauenkirche in Dresden oder den Römer in Frankfurt. Historische Symbolbauten haben eine Magie, die viel größer ist als ihre jeweils praktische Funktion. Deshalb sind sie umso populärer, je mehr sie sich zur geschichtlichen Tradition bekennen. Ihre Strahl- und Anziehungskraft erklärt sich daraus, dass sie Projektionsflächen und Gradmesser sind – für Traditionen und Sehnsüchte, für Stolz und Haltung, für kulturelles Selbstbewusstsein. So ist es von den Schlössern Schottlands bis zu den Klöstern Italiens. So könnte es auch in Potsdam sein. Denn das Schloss würde – möglichst originalgetreu wieder aufgebaut – nicht nur prachtvoll und schön glänzen wie das Original. Es wäre vor allem ein souveränes Gefäß unserer Identität.

„Sie kommen aus Potsdam?“, fragt mich in der Wandelhalle plötzlich ein Franzose, der unsere Diskussion belauscht hat. „Wie wunderbar. Das ist Glanz und Gloria. Die beste Seite Deutschlands, die kultivierte, die tolerante, die ästhetische. Sind sie eigentlich stolz darauf?“ Tja – sind wir das? Das Schloss wird es zeigen.

Wolfram Weimer schreibt an dieser Stelle regelmäßig für die PNN. Unser Autor ist Chefredakteur des Magazins „Cicero“ und lebt mit seiner Familie in Potsdam

Wolfram Weimer

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