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Angriff auf Leistikowstraßen-Leiterin: Strafbefehl gegen Stalinopfer

Ein ehemaliger Gulag-Häftling hat einen Strafbefehl erhalten. Er soll die Leiterin der Gedenkstätte Leistikowstraße verletzt und genötigt haben.

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Nauener Vorstadt - Juristisches Nachspiel einer tätlichen Auseinandersetzung: Der ehemalige Gulag-Häftling Lothar Scholz hat vom Amtsgericht Potsdam einen Strafbefehl zur Zahlung einer Geldstrafe über 900 Euro erhalten. Wegen Körperverletzung und versuchter Nötigung soll der 84-Jährige 30 Tagessätze zu je 30 Euro entrichten, heißt es in dem Strafbefehl. Scholz, ein in Berlin lebender Zeitzeuge stalinistischer Verfolgung, soll am 23. März 2012 die Leiterin der Potsdamer Gedenkstätte Ehemaliges KGB-Gefängnis Leistikowstraße, Ines Reich, „körperlich misshandelt“ und versucht haben, sie „rechtswidrig mit Gewalt und durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung zu nötigen“. Die Tätlichkeit war der Höhepunkt einer Auseinandersetzung zwischen Zeitzeugen und deren Verbänden sowie der Brandenburgischen Gedenkstättenstiftung um die künftige Ausrichtung der Gedenkstätte. Der Historiker Wolfgang Benz hat ein Buch über den Konflikt geschrieben, das am 22. Mai in der Landeszentrale für Politische Bildung Potsdam öffentlich vorgestellt wird. Der Titel: „Ein Kampf um Deutungshoheit. Politik, Opferinteressen und historische Forschung.“ In seinem Vorwort nimmt Benz Bezug auf den Tätlichkeitsvorfall.

Wie Richter Wolfgang Peters, Sprecher des Potsdamer Amtsgerichts, den PNN am Dienstag sagte, habe Scholz Widerspruch gegen den Strafbefehl eingelegt. Daher finde am 30. Mai ab 10.30 Uhr im Potsdamer Amtsgericht eine Hauptverhandlung statt, bei der drei Zeugen gehört werden, darunter auch Ines Reich. Urteil und Strafe seien völlig offen und bewegten sich im Rahmen zwischen Freispruch und fünf Jahren Freiheitsentzug.

Scholz erklärte den PNN am Dienstag, er habe sich Zutritt zur Gedenkstätte verschaffen wollen. Daher habe er Ines Reich „an der Schulter gepackt und zur Seite geschoben“. Er glaube nicht, sie verletzt zu haben. Widerspruch habe er auch deshalb eingelegt, weil er sich durch „das Urteil in Abwesenheit“ an seine 1947 in Moskau erfolgte Verurteilung zu 15 Jahren Zwangsarbeit im berüchtigten Lager Workuta erinnert fühlt. „Wie sich die Bilder gleichen“, sagte Scholz den PNN.

Richard Buchner, Vorsitzender des Gedenkstättenvereins Leistikowstraße, erklärte den PNN am Mittwoch: „Gewaltfreiheit ist unser Credo.“ Es habe sich um „das einmalige Ausrasten eines 83-Jährigen“ gehandelt. Buchner: „Es ist der einzige Vorfall dieser Art in 15 Jahren.“ Scholz sei „ein überaus verdienstvoller Zeitzeuge“, so Buchner. Ines Reich hatte sich nicht zu dem Vorfall geäußert. Brandenburgs Gedenkstättenstiftung hatte kurz nach dem Geschehen ihr „Entsetzen über die körperliche Gewalt und die Todesdrohung gegen die Leiterin der Gedenkstätte“ erklärt. 

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