Sport: Straubing vor den Fäusten, Rio im Blick
Bei den Deutschen Box-Meisterschaften steigen vier Babelsberger in den Ring. Einer will mehr als den Titel
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Ralph Mantau muss eine Weile überlegen. Dass er gleich vier Boxer zu einer Deutschen Meisterschaft schickt, das hat Premiere – da muss er nicht lange nachdenken. Aber für den letzten deutschen Meistertitel eines Kämpfers von Motor Babelsberg muss er einige Blätter im Jahreskalender zurückblättern. „Mike Hanke, 1998“, sagt er schließlich. In dieser Woche könnte die Bilanz eine Frischzellenkur erfahren: Bei den nationalen Titelkämpfen in Straubing vom heutigen Dienstag bis Samstag hat vor allem Atdhe Gashi gute Chancen auf den obersten Podestplatz.
Bereits im Vorjahr stand der 24-jährige Potsdamer, der im Kosovo geboren ist, im Finale, in dem er ebenbürtig war. In seiner ersten Entscheidung wertete das Kampfgericht das Duell als Unentschieden, erst ein ausgeloster Ringrichter entschied zu Gashis Ungunsten. „Er hat sich weiterentwickelt und ist optimal vorbereitet“, lobt Mantau seinen Schützling. Das Leichtgewicht hat das Pensum auf zehn Trainingseinheiten pro Woche erhöht, trainiert zudem unter den Fittichen des erfahrenen Box-Lehrers Ralf Dickert am Bundesstützpunkt in Berlin. Nach zwei Sparrings-Tagen Ende der vergangenen Woche in Schwerin kehrte Gashi mit der Überzeugung nach Babelsberg zurück: „Ich werde deutscher Meister", und liefert den Grund seines Selbstvertrauens gleich hinterher: „Vor ein paar Stunden hab ich im Sparring alle vermeintlichen Mitfavoriten geschlagen.“
Straubing soll erst der Beginn einer sportlichen Reise sein, die 2016 in Rio endet. Gashi hat die Olympischen Spiele fest im Visier. Mit einem erfolgreichen Auftritt bei den Deutschen Meisterschaften würden die Chancen auf eine Berufung ins Olympiateam steigen. „Es wäre nach Manfred Wolke 1968 der erste Babelsberger Boxer, der es zu den Spielen schaffen würde“, sagt Mantau. Für den Verein ist das mit einem Wermutstropfen verbunden: Der Deutsche Boxverband hat Gashi in die Weltliga berufen, in der er sich ab spätestens Januar 2015 mehr internationaler Konkurrenz stellen soll. Somit wird er dem Motor-Team in der ersten Bundesliga fehlen, die zwei Wochen nach den Meisterschaften beginnt.
Mit wieder erstarktem Kämpferherz steigt auch Satula Abdulai in den Meisterschaftsring. „Ich war noch nie so gut vorbereitet", sagt der technisch versierte Halbschwergewichtsboxer. Der Dritte der Junioren-Weltmeisterschaft von 2009 wechselte nach einer Zeit der Stagnation im Januar vom Olympiastützpunkt Frankfurt (Oder) zurück nach Babelsberg. „Seitdem geht es wieder bergauf“, sagt Mantau. Abdulai wollte dem Motor-Trainer nach den Schweriner Sparringskämpfen sagen, ob er in Straubing Erster oder Zweiter wird. „Ich gewinne“, verkündete er nach dem Trainingsausflug nach Mecklenburg-Vorpommern. Auch Abdulai hegt Hoffnungen für Rio 2016, doch ist sein olympischer Traum noch etwas gläserner; seine Chancen sind noch nicht ganz so handfest wie Gashis. „Abdulai kann bei den deutschen Meisterschaften eine Medaille gewinnen“, sagt Mantau. Doch brauche es für die ersten Kämpfe etwas Losglück.
Als Benjamin Kremers das erste Mal ins Box-Gym der Motor-Halle kam, habe ihn Mantau eigentlich wieder nach Hause schicken wollen. Der Bursche war damals 20, hatte noch nie geboxt und „es war viel zu spät, um ihn all die nötigen Grundlagen beizubringen“, sagt Mantau. Allerdings boxte Kremers Zwillingsbruder, mit dem er gemeinsam aus Mönchengladbach zum Studium nach Potsdam gezogen war, bereits bei den Babelsbergern, sodass Mantau meinte: „Wenn er ähnliche Veranlagungen hat, kann er bleiben.“ Benjamin Kremers blieb – anders als sein Bruder – und blickt nun seinen ersten Deutschen Meisterschaften entgegen, für die er sich als brandenburgischer Landesmeister qualifiziert hat. „Natürlich sind meine Gegner routinierter“, sagt der 26-jährige Mittelgewichtskämpfer. „Aber davon lass ich mich nicht beeindrucken.“ Vielmehr vertraue er seiner eigenen guten Vorbereitung. „Für ihn wird es megaschwer“, meint Mantau, Kremers indes kündigt an, alles in seine Fäuste zu legen, was er hat.
Vervollständigt wird das Babelsberger Quartett durch Eric Brechlin. Der Schwergewichtsboxer ist so etwas wie Mantaus Sorgenkind, nachdem er nach leidvoller K.o.-Erfahrung in der Weltliga in der vergangenen Saison auch in der Bundesliga ausgeknockt wurde. Brechlin soll sich zunächst in der zweiten Bundesliga als Gaststarter in Schwedt wieder Selbstvertrauen holen. Auf seinen Auftritt bei den Deutschen Meisterschaften ist Mantau gespannt: „Er will unbedingt boxen.“
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