Landeshauptstadt: Streit um Bestattungskosten
Jüdischer Landesverband verlangt Aufschläge, Stadt zahlt diese nicht
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Ein großer Teil der Potsdamer Juden im fortgeschrittenen Alter befinden sich in akut-verzweifelter Lage: Sie wissen derzeit nicht, wer die Kosten ihrer Beerdigung auf dem jüdischen Friedhof in Potsdam übernehmen wird. Denn die Stadt hat der Gesetzestreuen Jüdischen Landesgemeinde Potsdam mitgeteilt, dass sie wesentlichen Kostenforderungen des Jüdischen Landesverbandes für Beerdigungen nicht nachkommen wird. Dafür bestehe „kein Erstattungsrecht durch den zuständigen Sozialträger“, heißt es in dem Schreiben, das den PNN vorliegt.
Maximal würden 2433,42 Euro an Bestattungskosten übernommen. Für Juden, die Mitglied in einer Gemeinde sind, die nicht im Landesverband organisiert ist, sind das nur 39 Prozent der Gesamtkosten, wie Shimon Nebrat, Geschäftsführer der Gesetzestreuen Jüdischen Gemeinde, ausrechnete. Der Grund: Laut Friedhofssatzung des Jüdischen Landesverbands müssen Juden aus Nichtverbandsgemeinden einen 300-prozentigen Aufschlag pro Grabstelle zahlen. Dazu kommen 500 Euro für eine „Beerdigungsgenehmigung“ und eine Kaution in Höhe von 500 Euro.
Betroffen von der neuen Friedhofssatzung des Jüdischen Landesverbands sind ein Großteil der Potsdamer Juden. Erst jüngst war die größte Potsdamer Gemeinde, die Jüdische Gemeinde Potsdam, aus dem Landesverband ausgetreten. Grund hierfür war die Kritik des Landesverbands an der von der Jüdischen Gemeinde favorisierten neuen Synagoge in der Schloßstraße nach den Entwürfen des Architekten Jost Haberland. Nur die Synagogengemeinde Potsdam ist als einzige der drei jüdischen Gemeinden in Potsdam Mitglied im Landesverband. Nach PNN-Informationen hat sich die Jüdische Gemeinde Potsdam einen Anwalt genommen und versucht, den Konflikt der überhöhten Beerdigungskosten über ein Schiedsgerichtsverfahren beizulegen.
Elena Miropolskaja vom Jüdischen Landesverband hatte schon beim Bekanntwerden der neuen Friedhofsatzung für den jüdischen Friedhof deutlich die Motivation der drastischen Zusatzforderungen für Verbandsverweigerer kundgetan: „Es ist besser, wenn alle Gemeinden im Landesverband wären“ (PNN berichteten).
Mehr als 70 Prozent der in Potsdam lebenden Juden aus den ehemaligen Staaten der Sowjetunion sind über 65 Jahre alt, erklärte Nebrat, Geschäftsführer der Gesetzestreuen Jüdischen Gemeinde. Diese Menschen seien für den Lebensunterhalt auf soziale Leistungen angewiesen. Beerdigungskosten in vierstelliger Höhe könnten sie oder ihre Angehörigen nicht selbst tragen. Bisher seien die Beerdigungskosten für sozialschwache Potsdamer Juden immer zu 100 Prozent von der Stadt Potsdam übernommen worden.
Wie Nebrat erläuterte, ist die Lösung des Kostenproblems umgehend notwendig. Nach jüdischen Gesetzen muss ein Verstorbener „schnellstmöglich“ begraben werden. Stirbt ein Potsdamer Jude, müsse die Frage der Beerdigungskosten binnen Stunden geklärt werden. Besser wäre jedoch eine pauschale Lösung des Problems, bevor es akut wird, so Nebrat. Dass dies noch nicht geschehen sei, „macht mir Angst“, sagte er.
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