Landeshauptstadt: Streit um ein Wort
Stadtfraktionen schicken Brief an die Familie von Ermyas M. – aber die CDU will nicht unterschreiben
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Ein Brief des Mitgefühls, den die Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung an die Familie von Ermyas M. schicken wollen, wird nicht die Unterschrift des CDU-Fraktionsvorsitzenden Steeven Bretz tragen. Er und andere Mitglieder der CDU-Fraktion stören sich an der in dem Brief enthaltenen Formulierung, wonach es sich um eine „von Rassismus geprägte Gewalttat“ an Ermyas M. handele. Im nicht-öffentlichen Teil des Hauptausschusses kam es am Mittwochabend zur Debatte über den Brief.
Der 37-jährige Potsdamer äthiopischer Abstammung war Ostersonntag brutal zusammengeschlagen worden und erlitt eine schwere Schädel-Hirn-Verletzung.
CDU-Fraktionschef Bretz erklärte gestern gegenüber den PNN, der Vorschlag für einen Brief an die Angehörigen des Opfers stamme ursprünglich sogar von der CDU. Da die anderen Fraktionen zunächst nicht darauf eingegangen seien, hätte er selbst einen Brief an die Angehörigen geschrieben und Ermyas M. Blumen ins Klinikum gesandt. Die Textpassage „von Rassismus geprägt“ ziele laut Bretz auf das Tatmotiv ab. „Wir kennen das Tatmotiv aber nicht“, so Bretz. Man sollte nicht vor Abschluss der Ermittlungen über das Tatmotiv spekulieren. Die Tat selbst sei „verabscheuungswürdig“ und „schrecklich“. Bretz weiter: Wenn jemand nieder geschlagen und an den Rand des Todes gebracht werde, dann sei dies das Verwerfliche, dann sollte das Motiv nicht über die Tat gestellt werden. Zudem gebe es Hinweise darauf, „dass Alkohol im Spiel war“. Bretz erklärte, durch die Tat sei „ein verheerender Schaden für Potsdam entstanden“. Daher sollte „sich Potsdam nicht in vorauseilendem Gehorsam ins falsche Licht rücken“. Keinen Zweifel dürfe es geben, dass die CDU „jede Form von Rassismus, Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit“ verurteilt.
Mitglieder anderer Fraktionen äußerten gestern Unverständnis gegenüber der CDU-Haltung. Karin Schröter (Linkspartei.PDS) sagte, der Brief sollte ein von Herzen kommendes Hilfsangebot an die Angehörigen sein. Sie habe gedacht, die Formulierung sei konsensfähig. Sie bedauert, dass der gemeinsame Nenner nicht gefunden wurde. Nach Ansicht von SPD-Fraktionschef Mike Schubert geht die CDU „hinter ihre Position von letzter Woche zurück“. Da habe Bretz eine Erklärung der Fraktionsvorsitzenden und des Oberbürgermeisters unterschrieben, wo die Formulierung „Fremdenfeindlichkeit“ vorkam. „Der Begriff ,Nigger“ ist gefallen. Das ist kein Kosename, sondern Rassismus“, so Schubert bezugnehmend auf das vor der Tat via Handy aufgezeichnete Gespräch zwischen dem Opfer und den Tätern (siehe unten). Auch Götz Th. Friedrich (CDU) sieht in dem Wort „Nigger“ eine rassistische Äußerung. Gleichwohl beharrte er gegenüber den PNN darauf, dass über das Tatmotiv nicht spekuliert werden sollte. Wie Falk Richter (Die Andere) erklärte, stamme die Formulierung des Briefes von seiner Fraktion. Es handele sich um einen Brief der Fraktionen, um eine Unterschrift von Günther Schwemmer zu verhindern. Schwemmer ist Einzel-Stadtverordneter der DVU und Mitglied in keiner Fraktion. Richter: „So wurde das Problem formal umgangen.“ Guido Berg
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