Aus dem GERICHTSSAAL: Streit um eine Flasche Bier
Freispruch vom Vorwurf räuberischer Erpressung
Stand:
Das vermeintliche Opfer und sein Kumpel hatten bei der Polizei offenbar etwas dick aufgetragen und Justitias Mühlen in Gang gesetzt. Die Staatsanwaltschaft klagte daraufhin Kai K.* (33) wegen räuberischer Erpressung, immerhin ein Verbrechen, das mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren geahndet wird, und Körperverletzung an. Das Schöffengericht unter Vorsitz von Reinhild Ahle sprach den bislang unbescholtenen Potsdamer am Mittwoch allerdings von den Vorwürfen frei.
Kai K. soll in der Nacht des 11. August 2012 auf einer Rolltreppe des Hauptbahnhofs dem neben ihm stehenden Marcel M.* (24) Prügel angedroht haben, falls dieser ihm nicht seine Bierflasche gebe. Weil sich der schmächtige Mann weigerte, das Getränk herauszurücken, soll ihm Kai K. – er besitzt die Figur eines Türstehers – einen Faustschlag ins Gesicht versetzt und weitere Prügel in Aussicht gestellt haben. Beim anschließenden Gerangel soll Marcel M. ein 20-Euro-Schein aus der Hosentasche gefallen sein, den der Angeklagte sofort ergriffen habe. Aus Angst vor weiteren Tätlichkeiten soll der Azubi dem Angreifer das Geld und die halbvolle Flasche überlassen haben. Als die Polizei den vermeintlichen Täter Minuten später stellte, fand sie bei ihm allerdings keinen Cent.
Der Angeklagte räumte zu Prozessbeginn ein, er habe das Bier schon gewollt. Aber eines Faustschlags sei er sich „nicht bewusst“. Die Geschichte mit den 20 Euro habe er sich ausgedacht, gab Marcel M. nach bohrender Befragung zu. „Aber er hat mich beleidigt und mir einen Schlag aufs Kinn verpasst“, versicherte er im Zeugenstand. „Ich hatte keinen Bock auf Stress, da habe ich ihm das Bier gegeben.“ Das Video der Überwachungskamera zeigt übrigens keinen körperlichen Angriff. „Haben Sie sich mal in die Situation des Angeklagten versetzt? Jemanden fälschlich eines Verbrechens zu bezichtigen, ist unterste Schublade“, so die Vorsitzende: „Außerdem wird es für Sie strafrechtliche Konsequenzen haben.“ „Tut mir wirklich leid“, nuschelte Kai K.
„Wir wollen keine weiteren Lügengeschichten hören“, warnte Richterin Ahle Tobias T.* (28), der anschließend auf dem Zeugenstuhl Platz nahm: „Sonst drohen Ihnen mindestens drei Monate Haft, bei einer Vereidigung sogar ein Jahr.“ Bei der Polizei hatte der Kumpel von Marcel M. dessen Falschaussage bekräftigt. Vor Gericht stellte er klar: „Es gab keinen Faustschlag. Marcel wurde auch kein Geld weggenommen. Der Angeklagte hat lediglich an der Flasche gezogen. Marcel hat sie ihm dann gegeben.“ Die ganze Sache sei ihrem Mandanten unheimlich peinlich, sagte die Verteidigerin. Die Hauptverhandlung habe Kai K. „einen Tritt in die richtige Richtung verpasst“. (*Namen geändert.) Hoga
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