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Landeshauptstadt: Streit um Volkstrauertag

Kampagne bittet Botschafter von Polen um Hilfe für ihr Ansinnen

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Kampagne bittet Botschafter von Polen um Hilfe für ihr Ansinnen Von Michael Erbach Die Auseinandersetzung um die Potsdamer Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag am 16. November eskaliert. Wie PNN berichteten, hatte die Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär gefordert, dass neben dem als Redner vorgesehenen polnischen Botschafter, Andrzej Byrt, auch der Vorsitzende der „Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz“, Ludwig Baumann, sprechen sollte. Der 82-Jährige war1942 aus der Wehrmacht desertiert und zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt worden. Die Stadt hatte dieses Ansinnen mit der Begründung abgelehnt, dass mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge vereinbart sei, jedes Jahr den Botschafter eines von Nazi-Deutschland überfallenen Staates als Redner einzuladen. Zugleich war von der Stadt vorgeschlagen worden, eine separate Veranstaltung mit Baumann durchzuführen. Die Kampagne betonte daraufhin, diese Ablehnung „nicht widerspruchslos“ hinnehmen zu wollen. In einer gestern veröffentlichten Erklärung übt die Kampagne nun grundsätzliche Kritik am Konzept des Trauertages. Wie es in der Erklärung heißt, habe die Kampagne gegen Wehrpflicht nichts dagegen, dass Vertreter der von Deutschland überfallenen Staaten am Volkstrauertag Redebeiträge halten. „Allerdings halten wir die Beschränkung auf diese Reden für völlig unakzeptabel, weil die Verbrechen Nazideutschlands eben nicht nur gegen Völker und Menschen anderer Nationen verübt wurden, sondern auch gegen Juden, Sinti und Roma, Behinderte, Homosexuelle, Deserteure, Kommunisten, Sozialdemokraten und Christen in Deutschland.“ Weiter heißt es: „Wir werden nicht akzeptieren, dass diese Opfergruppen den offiziellen Gedenkveranstaltungen in Potsdam nur als schweigende Zaungäste beiwohnen dürfen.“ Die Kampagne fordert, „dieses falsche Konzept für Redner wie Ludwig Baumann“ zu öffnen. In einem Brief der Fraktion Die Andere wird zugleich Botschafter Byrt darum gebeten, sich bei Oberbürgermeister Jann Jakobs „dafür einzusetzen, dass neben Ihnen auch Ludwig Baumann einige Minuten“ auf der Gedenkveranstaltung reden kann. Jakobs Büroleiter Wieland Eschenburg bezeichnete es als „unüblich, den Gast einer Veranstaltung mit einem Konflikt zu belasten, der die Veranstalter betrifft“. Botschafter Byrt gerate auf diese Weise „in eine sehr schwierige Rolle“. Eschenburg sagte, das Konzept der Veranstaltung sei mit dem Volksbund Kriegsgräberfürsorge erarbeitet und abgestimmt worden. Man habe wegkommen wollen „von der deutschen Nabelschau“ an diesem Trauertag. Daraus sei die Tradition entstanden, die Botschafter jener Länder, die einst von Deutschland überfallen wurden, als Redner einzuladen. Diese könnten als Vertreter ganzer Völker auch für alle Opfergruppen sprechen. Eine alljährliche Abwägung, welche spezielle Opfergruppe zusätzlich das Rederecht bekommen solle, könnte hingegen „erneut zu Betroffenheiten führen“, betonte Eschenburg. Wie der Büroleiter weiter sagte, sei man nach einer neuerlichen Rücksprache mit dem Volksbund zur Ansicht gekommen, „es beim jetzigen Konzept zu belassen“.

Michael Erbach

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