
© Maurizio Gambarini/dpa
Von Richard Rabensaat: Strom aus Kacheln
An der Universität Potsdam werden dünn beschichtete, flexible Solarzellen entwickelt
Stand:
„Eine Jacke, so mit Polymeren beschichtet, dass ich mit der abgegebenen Energie mein Handy aufladen kann. Das wäre ein Ziel“, spekuliert Sylvia Paul. In der Hand hält die Doktorandin am Institut für Physik und Astronomie der Universität Potsdam drei kleine Glaszylinder in denen sie durchsichtige rote, gelbe und grüne Flüssigkeiten schwenkt. „Soweit ist es noch lange nicht“, bremst aber Dieter Neher, der Leiter der Forschungsgruppe, mögliche Erwartungen. Eine neuartige Solarzelle will ein Forschungsverbund, an dem die Universität beteiligt ist, entwickeln. Keine starren Silizium-Platten, wie bei herkömmlichen Solarzellen, sollen die Energie hervorbringen, sondern dünne, flexible Polymerschichten die auf vielerlei Materialien angebracht werden können.
Dieter Neher hält es für denkbar, dass in der Zukunft Kacheln an Häusern angebracht werden, die das Gebäude mit Strom vesorgen, Solarbeschichtungen auf Fenstern haften, oder kleine tragbare Solar-Akkus den Handybetrieb auch in unwirtlichen Gegenden wie beispielsweise den Bergen Afghanistans garantieren. Dreieinhalb Jahre unterstützt das Bundesforschungsministerium das Projekt mit insgesamt drei Millionen Euro. Die Wissenschaftler erwarten zwar nicht sofort den großen Durchbruch auf dem Gebiet der hybriden Solarzellen zu schaffen. Doch sie hoffen, ein gutes Stück voranzukommen. Durch die Verbindung mehrerer Beschichtungsverfahren sollen letztlich Energieträger entstehen, die dünner und flexibler als bisherige Solarzellen sind. Allerdings dürfe man von der Technologie nicht zu viel erwarten. „Das wird zwar eine Alternative zur bisherigen Solartechnik, kann diese aber nicht ersetzen “, so Neher.
Bei dem neuen Verfahren, das auch schon in viel versprechenden Ansätzen existiert, verwenden die Wissenschaftler kleine Moleküle, die sich zu Polymeren verbinden und auf porösen Materialien aufgebracht werden. Die Energie entsteht dabei durch die Trennung von positiven und negativen Teilchen in den Beschichtungen. „Das machen auch Pflanzen bei der Photosynthese“, erklärt Sylvia Paul. Das zentrale Problem der Technologie sind bisher die schlechten Transporteigenschaften der Schichten durch welche die Teilchen dann zu den Elektroden geleitet werden.
Noch ist der Wirkungsgrad von Solarzellen, die auf konventioneller Siliziumtechnik basieren, ungefähr 20 mal so hoch wie derjenige von organischer Photovoltaik. Als organisch klassifizieren Wissenschaftler die polymerbeschichteten Zellen, weil der Grundstoff für die Moleküle, aus denen die Polymerbeschichtung hergestellt wird, letztlich Erdöl ist. Die Forscher wollen mehrere Schichten möglichst geschickt verzahnen. In einer schematischen Darstellung muten die verwendeten Beschichtungen an wie zwei ineinander geschobene Kämme. Zwei möglichst große Oberflächen müssen aufeinander treffen, um die maximale Energie zu erzeugen. In der Grafik sieht die unregelmäßige Oberfläche, an der die Schichten aufeinander treffen, aus wie ein kugeliger Blumenkohl. „Das garantiert eine möglichst große Ausdehnung. Sehen kann man diese Strukturen natürlich nicht mehr“, erklärt Neher. Auch gebe es kein Werkzeug, mit dem sich derartige Natostrukturen modellieren ließen, notwendig sei es, auf die Selbstorganisationskräfte der Natur zu vertrauen.
Wie die funktionieren können, erklärt der Physiker am Beispiel von Blütenblättern. Wenn Regentropfen auf Blütenkelchen und Pflanzenblättern nicht haften, so zeige dies, dass sich darauf regelmäßige Nanostrukturen von Molekülen gebildet hätten, an denen die Feuchtigkeit abperlt. Entsprechend gut strukturierte Oberflächen hofft das Forscherteam in Potsdam ebenfalls zu erhalten.
Um eine möglichst gute Trennung der Ladungen zu erzielen wollen die Wissenschaftler die Nanostrukturen der Grenzflächen optimieren. Es gibt allerdings nur wenige Materialien, die den Anforderungen genügen. Viel Grundlagenforschung ist noch notwendig, um zu einem Ergebnis zu gelangen, das auch die Industrie nutzen kann. Deshalb will der Verbund aus Forschungsinstituten und Universitäten künftig eng zusammenarbeiten und schon vorhandene Kenntnisse, beispielsweise über Beschichtungsverfahren austauschen. „Letztlich geht es darum, Selbstorganisationsverfahren der Natur zu verstehen und auszunutzen,“ stellt Dieter Neher fest.
Richard Rabensaat
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: