Landeshauptstadt: Studio Babelsberg setzt auf Prag
Neue Firma geht in Barrandov an den Start / Woebcken: Entlassungen sollen Ertragsstärke verbessern
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Babelsberg / Prag - Während die Studio Babelsberg AG in Potsdam die Entlassung von rund 40 Mitarbeitern plant, expandiert das börsennotierte Unternehmen in Osteuropa. Wie das internationale Branchenblatt „Variety“ berichtete, sei in Prag die neue Firma Central Scope Prods. an den Start gegangen.
Studio-Babelsberg-Sprecherin Miriam Rönn bestätigte gestern, dass es die neue Firma gebe. Sie sei eine hundertprozentige Tochter der Studio Babelsberg AG. Die Geschäftsführung übernehme Henning Molfenter gemeinsam mit Jasmina Torbati. Molfenter ist bereits Chef der Studio-Tochter Studio Babelsberg Motion Pictures und hat mehrere Hollywood-Filmproduktionen nach Babelsberg geholt. Central Scope Prods. habe ihr Büro im Prager Filmstudio Barrandov und solle dort Aufträge akquirieren, so Rönn. Jüngst wurde in Barrandov der neue Bond-Film „Casino Royale“ gedreht, an dem Studio Babelsberg bereits als Produzent beteiligt ist. Nunmehr würden drei große Filmprojekte in Prag erwartet, so Rönn.
Der Vorstandsvorsitzende der Studio Babelsberg AG, Carl Woebcken, hatte die Expansion nach Prag bereits im Frühjahr dieses Jahres angekündigt. Sie solle dazu beitragen, dass Studio Babelsberg beim nächsten Großauftrag als Dienstleister einsteigen könne – und die Konkurrenzsituation mit den Tschechen entschärfen, die sich in der Vergangenheit immer wieder über lukrative Aufträge freuen konnten. Studio Babelsberg dagegen – das sich vor allem als Rund-um-Dienstleister für internationale Filmproduktionen versteht – ist im zurückliegenden Jahr leer ausgegangen. Die für 1,1 Millionen Euro neu ausgebauten Filmhallen auf dem ehemaligen Gelände des Karl-Marx-Werkes an der Großbeerenstraße blieben weitgehend leer, in den Studios auf dem Gelände an der August-Bebel-Straße werden vor allem Telenovelas für das Fernsehen gedreht. Eine Folge dessen war offenbar, dass die Studio Babelsberg AG im August eine Gewinnwarnung für dieses Jahr veröffentlichte. Nach Angaben vom März 2006 verfügte das Studio zu diesem Zeitpunkt über 14,8 Millionen Euro „auf dem Konto“. Gestern teilte die Studio Babelsberg AG mit, sie verfüge nun „über acht Millionen Euro liquide Mittel und ist schuldenfrei“.
Noch Anfang des Jahres war für 2006 eine Umsatzsteigerung um 20 Prozent auf 50 Millionen Euro und ein Gewinn in Höhe von fünf Millionen Euro erwartet worden. Geplant war, ein „Paket“ von Hollywood-Produktionen nach Potsdam zu holen, mit denen das Studio drei Jahre lang ausgelastet gewesen wäre. Stattdessen droht nun bei der größten Studio-Tochter Art Department Studio Babelsberg GmbH die Insolvenz (PNN berichteten). Vorstandschef Woebcken ließ dazu gestern mitteilen, die „Gefahr einer Insolvenz ist durchaus gegeben“. Durch „die allgemeine Tendenz, im Kulissenbau zukünftig vermehrt mit Subunternehmen zusammenzuarbeiten, ist die Finanzierungsbereitschaft für die verlustige Tochtergesellschaft stark strapaziert“, so Woebcken weiter. Die Restrukturierung des Art Departments – in dem etwa 93 Filmhandwerker, Kulissenbauer und Auszubildende arbeiten – sei bereits seit längerer Zeit geplant. Da die Beschäftigungsgarantien für die Mitarbeiter, die auf Fördergeldzahlungen von 3,7 Millionen Euro im Jahr 1997 zurückgehen, im Januar ausliefen, könne die Restrukturierung nun durchgeführt werden, so Woebcken. Über die Modalitäten wird wie berichtet derzeit mit dem Betriebsrat von Studio Babelsberg verhandelt. Betriebsratschef Jan-Peter Schmarje hatte gesagt, die Kündigungen für 41 Mitarbeiter sollten noch im Dezember ausgesprochen werden.
Dies beschäftigte am Mittwochabend auch die Potsdamer Stadtverordneten in der Sitzung des Hauptausschusses. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) sagte dazu auf Anfrage von Linkspartei.PDS-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg, ihn habe die Nachricht von den drohenden Entlassungen überrascht – genauso wie den Medienbeauftragten des Landes Brandenburg, Erhart Thomas. Er befürchte, so Jakobs, dass mit den Entlassungen auch der Filmstandort Babelsberg in seiner Leistungsfähigkeit gefährdet werde. Schließlich habe Studio Babelsberg bisher besonders durch seine ausgebildeten Fachkräfte Aufträge bekommen. „Wenn man sich dieser entledigt“, gerate man womöglich später in Not, so Jakobs. Die Stadt habe begrenzte Einflussmöglichkeiten, werde aber für den Erhalt der Arbeitsplätze werben.
Keine negativen Auswirkungen sieht dagegen Studiochef Woebcken durch den geplanten Personalabbau – im Gegenteil werde sich die „Ertragsstärke“ des Studios dadurch in 2007 „nachhaltig verbessern“. Dazu werde auch das so genannte „Anreizssystem“ für die deutsche Filmwirtschaft beitragen. Es sieht eine Erstattung von 16 bis 20 Prozent der in Deutschland ausgegebenen Produktionskosten vor, ist jedoch noch nicht von der Europäischen Union genehmigt.
Carl Woebcken hatte Studio Babelsberg gemeinsam mit seinem Partner Christoph Fisser Mitte 2004 vom französischen Konzern Vivendi Universal gekauft und im April 2005 an die Börse gebracht. Anfang 2006 beschäftigte das Unternehmen 159 Mitarbeiter und 24 Auszubildende. Im Jahr 2005 hat Studio Babelsberg erstmals seit der Wende schwarze Zahlen geschrieben: Bei einem Umsatz von 43,2 Millionen Euro wurden nach Angaben des Unternehmens 2,6 Millionen Euro Gewinn gemacht. Pro Aktie wurden zehn Cent Dividende an die Aktionäre ausgezahlt.
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