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Von Nicola Klusemann: Sturm, Steine, Scherben

Bodendenkmalpfleger Horst Behnke sieht sich als Wahrer des Wissens. An diesem Samstag wird der Ehrenamtler vom Land geehrt

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Wenn es stürmt, freut sich Horst Behnke. Hat sich der Sturm gelegt, marschiert der 76-Jährige in den Wald. Zuletzt legte Orkan Kyrill die Vergangenheit frei – Bruchwerk, wertvolle Schätze für den Bodendenkmalpfleger. Im Wurzelwerk einer umgestürzten Kiefer steckten unzählige Scherben, die zusammengesetzt ein halbmeterhohes Gefäß ergaben – geschätztes Alter etwa 2500 Jahre. Es sei wohl eine Grabbeilage gewesen, vermutet der Finder. Eine Urne mit Leichenbrand, die das bestätigt hätte, fanden Horst Behnke und seine Helfer allerdings nicht. Das dicht bewaldete Gelände machte weitere Grabung am Fundplatz „Wergzahna 2“ unmöglich. Insgesamt 375 Fundstellen sind bisher in dem Zuständigkeitsbereich des Potsdamer Bodendenkmalpflegers verzeichnet. Der umfasst die drei Ämter Treuenbrietzen, Niemegk und Saarmund. Organisiert wird die ehrenamtliche Pflege vom Brandenburgischen Landesmuseum. Hier werden auch die meisten Funde von Horst Behnke aufbewahrt. Von den Fundstellen und Artefakten hat der Hobby-Archäologe Fotos gemacht und eine Dokumentation erstellt, die inzwischen „den halben Wandschrank“ füllt. Seit sechs Jahrzehnten ist der ausgebildete Ökonom im Bereich Fernmeldewesen in seiner Freizeit als Bodendenkmalpfleger tätig. Einige seiner Entdeckungen sind Zufallsfunde, die zum Beispiel auch durch Rodung oder Bauarbeiten zu Tage treten. Ein Großteil seiner ehrenamtlichen Tätigkeit sei aber die systematischen Suche nach Siedlungsspuren. Er orientiere sich dabei an Bach- und Flussläufen, deren Ufer die Menschen in der Bronze- oder auch slavischen Zeit gerne besiedelten.

Die Frage nach dem Sinn seiner Tätigkeit stößt bei Horst Behnke auf Unverständnis. „Wir alle haben doch eine historische Verantwortung“, sagt der Bodendenkmalpfleger. Er versteht sich als Wahrer des Wissens. Und findet es gut, dass diese Form der geschichtlichen Aufarbeitung jetzt Würdigung erfährt. Am heutigen Samstag ist Horst Behnke mit weiteren hundert Ehrenamtlichen zum Empfang bei Ministerpräsident Matthias Platzeck und Landtagspräsident Gunter Fritsch in der Staatskanzlei eingeladen. Anlass ist der gestrige Welttag des Ehrenamtes. „Die Einladung hat mich sehr gefreut“, sagt der 76-Jährige. Insgesamt komme pro Jahr ein unentgeltlicher Arbeitseinsatz von über 700 Stunden zusammen, sagt Horst Behnke. Schon als Kind sei er ein Waldmensch gewesen, so der gebürtige Treuenbrietzner. Außerdem habe er einen wunderbaren Geschichtslehrer gehabt, der sich selbst sehr für Ur- und Frühgeschichte interessierte und Fundstücke mit in den Unterricht brachte.

Seinen spektakulärsten Fund machte der Bodendenkmalpfleger bereits vor 50 Jahren. „Ich fuhr damals mit dem Fahrrad durch den Wald und kam auf eine Kiefernschonung“, erzählt er. Im Sand vor ihm hätten drei Feuersteinstücke im Halbrund gelegen. Zusammengesetzt bildeten sie eine längliche Klinge, die nur an einer Seite gezackt ist. Bis heute wüssten die Wissenschaftler nur, dass das Artefakt aus der Steinzeit stamme. „Wozu die Menschen das Steinwerkzeug benutzt haben, weiß man nicht“, sagt Horst Behnke mit einem geheimnisvollen Unterton. „Wir wissen ohnehin so wenig aus dieser Zeit.“ Seine Funde könnten aber zumindest Ahnungen mit Belegen anreichern oder auch widerlegen. „Das ist ein bisschen wie in der Kriminalistik“, sagt der Bodendenkmalpfleger. Während er sich zu DDR-Zeiten nur für Funde zwischen „Ur- und Frühgeschichte bis Columbus“ interessieren durfte, werden jetzt auch Entdeckungen der jüngeren Geschichte gemeldet: Beispielsweise Schießanlagen der Garnison oder Schützengräben aus dem Zweiten Weltkrieg. Um den Nachwuchs seiner Zunft sorgt sich Behnke nicht. Mehrmals im Jahr organisierten er und seine Kollegen Exkursionen zu den Fundstellen. „Da sind immer auch interessierte junge Menschen darunter.“

Nicola Klusemann

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